ibrationsfrequenz Caro
Addobbone hat eine natürliche Frequenz von neunzig Vibrationen
in der Minute: nicht zu schnell, nicht mehr als anderthalb Vibrationen in der
Sekunde. Aber da er ständig vibriert - sogar im Schlaf, wenn auch langsamer
-, wissen seine Angehörigen nicht, woran sie sich halten sollen. Er hat eine
komplizierte Familie: von der ersten Frau sind ihm vier Kinder geblieben, und
jetzt lebt er mit einer reichen Frau zusammen, die ihrerseits vier Kinder hat,
es sind also neun, acht davon Jungen, welche die fortgesetzten Vibrationen des
Familienoberhaupts ertragen müssen, die sich übrigens auf die Möbel und in Augenblicken
höchster Begeisterung auf die ganze Familie übertragen. Seine Lebensgefährtin
läßt ihm eine bestimmte Summe zukommen, damit er sich irgendwo anders aufhalten
kann, doch zwei Tage im Monat darf er zu Hause sein. Er ist Maler: alle Bilder,
die er malt, haben einen eigenartigen Stil, den die Kritiker als »vibrato«,
energisch, definieren, oder auch als »vibrante«, mitreißend, doch sind sie sich
über die Bezeichnung nicht einig geworden; dieser persönliche Stil hat einen
gewissen Erfolg gezeitigt, und er wird bereits von anderen gewitzten Malern
nachgeahmt, und da diese, wie die meisten Maler, fest im Raum stehen, bringen
sie die Leinwand mit einem besonderen Apparat zum Vibrieren. Das Resultat müßte
theoretisch das gleiche sein, und doch haben die Gemälde von Caro Addobbone
etwas Träumerisches, das die anderen nicht haben.
Addobbones Vibration zeigt logischerweise nicht an allen Körperstellen
die gleiche Schwingungszahl. Angenommen, der Maler steht auf beiden Füßen: seine
Füße stehen fest auf dem Boden, anders wäre das Ganze nicht stabil: von den
Knien ab wird die Vibration erkenntlich; deutlicher in der Höhe des Bauchs;
und beim Kopf wird sie übermächtig; die Hände, dann, sind ein wahres Rauschen.
Von seiner Person geht wirklich ein Geraschel wie von Laubwerk aus, ein keineswegs
unangenehmes Gesäusel des Windes, ein nicht alltägliches Lebensgefühl, was verständlich
ist, wenn man bedenkt, daß das Leben Bewegung ist und in letztem Betracht Vibration.
Die acht Söhne des Hausstands um ihn herum scheinen in ihrer Bewegungslosigkeit
gleichsam unbeholfen, steif, langsam, regungslos: nicht einmal ihre schäumende
Jugend läßt sich mit einer Vibration von neunzig Zyklen in der Minute, das sind
fünftausendvierhundert in der Stunde und einhundertneunundzwanzigtausendsechshundert
am Tag, vergleichen. Im Bett jedoch erreicht Addobbones Vibration ihre höchste
Schwingungszahl in der Hohe des Beckens. -
(bdm)
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