HS-Kassette
Die Geschichte ist furchtbar widerlich, erzählte Bruno, ich habe
mich gewundert, daß die Journalisten nicht mehr darüber berichtet haben. Wie
dem auch sei, es war vor fünf Jahren, der Prozeß hat in Los Angeles stattgefunden,
die satanistischen Sekten waren in Europa noch
ein neues Thema. David di Meola war einer der zwölf Angeklagten - ich habe seinen
Namen gleich wiedererkannt; nur zwei Leute hatten es geschafft, der Polizei
zu entkommen, und er gehörte dazu. Dem Artikel zufolge war er vermutlich nach
Brasilien geflüchtet. Das Beweismaterial gegen ihn war äußerst belastend. Man
hatte in seiner Wohnung Hunderte von Videokassetten mit Mord- und Folterszenen
gefunden, und all diese Kassetten waren sorgsam geordnet und beschriftet; auf
manchen von ihnen war er mit unverhülltem Gesicht zu sehen. Auf der Kassette,
die bei der Verhandlung gezeigt wurde, konnte man sehen, wie eine alte Frau,
Mary Mac Nallahan, und ihre Enkelin, ein kleines Baby, zu Tode gefoltert wurden.
Di Meola hat mit einer großen Kneifzange das Baby vor den Augen der Großmutter
zerstückelt, dann hat er der alten Frau mit den Fingern ein Auge ausgerissen,
ehe er in ihre blutende Augenhöhle onaniert hat; gleichzeitig hat er die Fernbedienung
betätigt und mit dem Zoom ihr Gesicht näher herangeholt. Sie hockte in einem
Raum, der wie eine Garage aussah, auf dem Boden und war an die Wand gekettet.
Gegen Ende des Films lag sie in ihren Exkrementen; die Kassette dauerte über
eine dreiviertel Stunde, aber nur die Polizei hatte sie ganz gesehen, die Geschworenen
hatten nach zehn Minuten darum gebeten, die Vorführung abzubrechen.
- Michel
Houellebecq
,
Elementarteilchen. München 2001 (zuerst 1998)
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