exierbild  Der Morgenbesuch. Zwei Freunde stehen in seidenen Kostümen vor einem Tisch aus Perlmutter und Elfenbein. Sie haben eine Mappe mit kolorierten Stichen aufgeschlagen und betrachten die Bilder durch Lorgnons. Der Raum ist farbig, prunkvoll, heiter; besonders fällt mir die reiche Intarsia des Tisches auf. Doch ist auch etwas Ungewöhnliches an ihm. Indem ich ihn schärfer ins Auge fasse, entdecke ich, daß eine Frau sich kniend unter ihm verbirgt. Das schwere Seidenkleid, das zart gepuderte Gesicht, der bunte Federhut sind mit dem Muster des Möbels so verschmolzen, daß die Verborgene an einen jener Schmetterlinge erinnert, die von den Blüten, auf denen sie ruhen, nicht zu unterscheiden sind. Nun wird mir auch die Stimmung des Schreckens auf dem Grunde der Heiterkeit des morgenhellen Raumes deutlich, und ich erkenne das Vexierbild, dessen Linien die Furcht erstarren ließ. Das Hintergründige des Bildes schlummerte bereits im Titel: denn es handelt sich nicht nur um den Besucher, sondern zugleich um seine allzu schöne und allzu nahe Gattin, die Besucherin. - Ernst Jünger, Strahlungen. 25. Mai 1941

Vexierbild (2)  Was nun die Vexierbilder betrifft, so zielte Nigromontanus vor allem wohl auf die Erschütterung, die uns ergreift, wenn wir unvermutet in einem das andere sehen. Vielleicht gedachte er so die feinen Wurzeln zu lösen und abzusprengen, durch die unser Wesen dem Alltäglichen und Gewöhnlichen verhaftet ist. Es ist richtig — wenn wir das Vexierbild lösen, kann Verblüffung, Staunen, Schrecken, aber auch die Heiterkeit sich einstellen. Wo solche Eindrücke sich häufen, beginnen wir mit Vorsicht an die Dinge heranzugehen; wir betrachten selbst die einfachen Bausteine unserer Anschauung mit Aufmerksamkeit, mit Erwartung oder auch mit Mißtrauen. Das gerade mochte Nigromontanus beabsichtigen; seine Methodik war nicht wie die der hohen Schulen auf das Suchen, sondern auf das Finden gestimmt. So zeichnete ihn auch eine Art von Zutrauen aus, daß in jeden unserer Gänge, selbst den scheinbar absichtslosen und vergeblichen, gleich dem Kern der Nuß ein besonderes Ergebnis eingeschlossen sei; und er verlangte, daß man vor dem Einschlafen den Tag in der Erinnerung wie eine Muschel aufbräche.

Solche Übungen sollten darstellen, daß auch die Welt im Großen nach der Art eines Vexierbildes geordnet sei — daß ihre Geheimnisse auf der offenen Oberfläche dalägen, und es nur einer geringen Anpassung des Auges bedürfe, um die Fülle ihrer Schätze und Wunder zu sehen. Gern zitierte er den Spruch des Hesiod, daß die Götter den Menschen die Nahrung verbergen, und die Welt so fruchtbar sei, daß die Arbeit eines Tages für ein Jahr der Ernte ausreiche.  - (ej2)

Vexierbild (3)  

Vexierbild (4)  

- Dali, Vermeer zitierend

 

Bild Täuschung

 

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