erzeihen  Sturbinus sagt, man könne jenen verzeihen, die an des Papstes Göttlichkeit und Unfehlbarkeit zweifeln, wenn man bedenkt:

daß vierzig Kirchenspaltungen den Stuhl des heiligen Petrus entweiht und siebenundzwanzig ihn mit Blut befleckt haben;

daß Stephan VII., eines Priesters Sohn, den Leib seines Vorgängers Formosus ausgraben und von dessen Kadaver den Kopf abschlagen ließ;

daß Sergius III., mehrerer Morde überführt, mit der Römerin Marozia einen Sohn zeugte, der das Papsttum erbte;

daß Johannes X., Galan der Theodora, in deren Bett erwürgt wurde;

daß Johannes XI., Sohn des dritten Sergius, nur kraft seiner Völlerei bekannt wurde;

daß Johannes XII. bei seiner Mätresse erschlagen ward; daß Benedikt IX. den Heiligen Stuhl kaufte und wiederverkaufte;

daß Gregor VII. fünfhundert Jahre Bürgerkriege verursachte, die seine Nachfolger weiter schürten;

daß schließlich unter so vielen machtgierigen, blutbefleckten und zügellosen Päpsten ein Alexander VI. gewesen ist, dessen Name so abscheulich tönt wie derjenige des Nero und Caligula.

Ebendies ist ein Beweis ihrer aller Göttlichkeit (heißt es), daß sie unter so vielem Frevel gewahrt blieb; aber wenn die Kalifen sich noch abscheulicher aufgeführt hätten, so müßten sie fraglos nur desto göttlicher sein. Derartig folgert Dermius; allerdings haben die Jesuiten ihn widerlegt. - Voltaire, Philosophisches Wörterbuch, nach (vol)

Verzeihen (2)  Es heißt, daß Gennaro Marino, genannt McKay, der Kronprinz von Paolo Di Lauro, ans Krankenbett des sterbenden Jungen kam, um den Boss zu trösten. Seine Tröstung war willkommen. Di Lauro nahm ihn danach zur Seite und bot ihm einen Drink an. Er pißte in ein Glas und hielt es ihm hin. Dem Boss waren Informationen über bestimmte Verhaltensweisen seines Favoriten zu Ohren gekommen, die er in keiner Weise gutheißen konnte. McKay hatte eigenmächtig bestimmte unternehmerische Entscheidungen getroffen und Gelder abgezweigt, ohne darüber Rechenschaft abzulegen. Der Boss schloß daraus, daß sein Kronprinz sich selbständig machen wollte, war aber bereit, ihm zu verzeihen und das Verhalten als Übereifer dessen, der sein Metier zu gut versteht, hinzunehmen. Man erzählt sich, McKay habe das Glas bis auf den Grund ausgetrunken.  - Roberto Saviano, Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006
 
Gefühle, moralische
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Vergebung