erwicklung    Dieses Gerät, Trollgarn genannt, ist ein Sinnbild menschlicher List und Erfindungskraft. Aus engen und weiten Maschen zu einer einzigen Bahn zusammengeflochten, entwickelt es an jedem Punkte bestrickende Kraft. Wo ein Fisch mit ihm in Berührung kommt, dehnt er durch seine eigene Bewegung die engen Maschen zu einem Fangbeutel aus, den die weiten dann zuschnüren. Je lebhafter der Gefangene sich zu befreien strebt, desto tiefer verwickelt er sich auf labyrinthische Art.   - Ernst Jünger, Myrdun. Briefe aus Norwegen (29. Juli 1935). München 1980 (dtv bibliothek kubin, zuerst 1943)

 Verwicklung  (2) Der Freund ist die Verbindung zwischen Vater und Sohn, er ist ihre größte Gemeinsamkeit. Allein bei seinem Fenster sitzend, wühlt Georg in diesem Gemeinsamen mit Wollust, glaubt den Vater in sich zu haben und hält alles, bis auf eine flüchtige traurige Nachdenklichkeit für friedlich. Die Entwicklung der Geschichte zeigt nun, wie aus dem Gemeinsamen, dem Freund, der Vater hervorsteigt und sich als Gegensatz Georg gegenüber aufstellt, verstärkt durch andere kleinere Gemeinsamkeiten, nämlich durch die Liebe, Anhänglichkeit der Mutter, durch die treue Erinnerung an sie und durch die Kundschaft, die ja der Vater doch ursprünglich für das Geschäft erworben hat. Georg hat nichts; die Braut, die in der Geschichte nur durch die Beziehung zum Freund, also zum Gemeinsamen, lebt, und die, da eben noch nicht Hochzeit war, in den Blutkreis, der sich um Vater und Sohn zieht, nicht eintreten kann, wird vom Vater leicht vertrieben. Das Gemeinsame ist alles um den Vater aufgetürmt, Georg fühlt es nur als Fremdes, Selbständig-Gewordenes, von ihm niemals genug Beschütztes, russischen Revolutionen Ausgesetztes, und nur weil er selbst nichts mehr hat als den Blick auf den Vater, wirkt das Urteil, das ihm den Vater gänzlich verschließt, so stark auf ihn. - Franz Kafka, Tagebücher (11. Februar 1913) Frankfurt am Main 1967

 Verwicklung  (3) Bevor die Töchter sich verheiraten, behüten die Mütter mit eisiger Strenge ihre Tugend, und nachdem sie sich verheiratet haben, helfen sie ihnen, die Ehemänner zu betrügen.

Frau Klothilde allerdings befand sich in einer zwiespältigen Situation. Mehrere Jahre hindurch war sie die Geliebte Lucianos gewesen, der spater der Gatte ihrer Tochter wurde, und einige Wochen hindurch war sie die Geliebte Paolos gewesen, der heute der Geliebte der Tochter war. - Pitigrilli, Betrüge mich gut. In: P., Betrüge mich gut. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12179, zuerst 1922)

 Verwicklung  (4)

- Hans Bellmer

 Verwicklung  (5)  Als das Mädchen vor dem örtlichen Richter ins Verhör genommen wurde, entdeckten sie, daß siebzehn Männer darin mehr oder minder verwickelt waren, so daß nichts übrigblieb, als das Kind zu einem gewöhnlichen Bankert zu erklären und das Mädchen seiner Wege zu schicken. Ihre Mutter nahm sie auf, und nachdem das Gör ein Jahr später an Lungenentzündung gestorben war, rief sie eines Tages die Polizei. Ein Polizist öffnete die Schlafzimmertür. Das Mädchen war mit einem achtzehnten Kerl im Bett, einem jungen herumstreunenden Faulpelz mit einem dämlichen Grinsen auf dem Gesicht. Sie nötigten sie zur Heirat, was die Mutter von ihrer Bürde befreite. Das Mädchen war schwachsinnig, so daß sie nur mit der größten Schwierigkeit ihr Treiben verbergen konnte, tatsächlich gelang es ihr nie.     - (kore)

 Verwicklung  (6)  

- Roland Topor

 Verwicklung  (7)  Träge Pausen. Absencen, kaum berührt von Reflexionen über das Wetter oder vergeblich lockenden, schmeichelnden Bildern diverser Konsumprodukte. Die beharrliche Frage »Was will ich eigentlich hier«. Und immer wieder der plötzliche Drang, einfach aufzuhören, Schluß zu machen, alles fahren zu lassen.

Aber der Anwalt Maggioni hat in diesen Tagen auch angefangen, die verschiedenen Fäden der Verwicklung (der Verwicklungen?), die ihn umgarnen, zu unterscheiden. Rosa Fäden, rote, blaue, gelbe, schwarze... Doch hin und wieder zerreißt das bunte Gewebe, und dann zeigen sich graue Flächen mit weißen Punkten, die eine präzise Erinnerung in ihm wecken: die Erinnerung an die Windschutzscheibe im plötzlichen Prasseln des Hagels auf der Straße zwischen Arezzo und Siena. Das war der Moment gewesen, überlegt er, als alles begonnen hatte, da hätte er irgendwie reagieren müssen, die Richtung ändern, umkehren. Jetzt ist es zu spät.  - Fruttero & Lucentini, Der Palio der toten Reiter, München 1989

 

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Umwickelung
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