Verwandlungswunsch    »Das war um die Zeit, wo ich dann auf eine ganz komische Idee kam. Wie's einem so geht, verstehn Sie, wenn man Angst hat. Ich sah nämlich zu meinen Beinen runter, und dann hab ich versucht, daß ich wie ein Junge werde. Ich hab gedacht, wenn ich doch bloß ein Junge wäre, und dann hab ich versucht, mich selber zu einem zu machen, bloß durch Denken. Sie wissen ja, wie sowas kommt, solche Sachen, wie einem das geht. Wenn Sie zum Beispiel in der Schule eine schwierige Aufgabe wissen und die kommt dann dran, dann sieht man ihn an und denkt ganz fest, Ruf mich auf. Ruf mich auf. Ruf mich auf. Ich mußte auch daran denken, was man den Kindern immer erzählt, vonwegen wenn man seinen Ellbogen küssen kann, und das hab ich dann versucht. Hab ich tatsächlich getan. Ich hatt ja derartig Angst, und dann hab ich auch überlegt, ob ich das wohl merken täte, wenn es passiert. Ich meine, bevor ich hinkuckte, und dann hab ich gedacht, ich hätte's schon, und wie ich dann rausgehn würde und es ihnen zeigen - verstehn Sie. Ich würde ein Streichholz anzünden und sagen, Hier. Seht ihr? Jetzt laßt mich in Ruhe. Und dann könnt ich wieder ins Bett gehn. Ich hab das alles durchgedacht, wie ich dann wieder ins Bett gehn könnte und schlafen gehn, weil, ich war ziemlich müde. Ich war so schläfrig, daß ich einfach kaum noch die Augen offenhalten konnte.

»Also hab ich die Augen fest zugemacht und gesagt, jetzt bin ich's. Ich bin's jetzt schon. Ich hab zu meinen Beinen runtergesehn und gedacht, wieviel ich für die schon getan hatte. Ich hab gedacht, wie oft ich sie schon zum Tanzen mitgenommen hatte - ganz verrückt, sowas. Weil, ich dachte doch, wieviel ich schon für sie getan hatte, und jetzt hatten sie mich in diese Geschichte reingebracht. Dann hab ich gedacht, ich könnte vielleicht beten, daß ich in einen Jungen verwandelt werde, und ich hab auch gebetet dann und dann ganz still gesessen und gewartet. Dann hab ich gedacht, vielleicht merk ich's gar nicht, und wollte nachsehn. Aber dann dacht ich, es ist vielleicht noch zu früh zum nachsehn; und wenn ich nachsehe, dann verderb ich's vielleicht alles, und dann wird nichts draus, ist doch klar. Also hab ich gezählt. Ich hab mir gesagt, ich zähl erst mal bis fünfzig, aber dann dacht ich, es ist vielleicht immer noch zu früh, und lieber zähl ich noch mal bis fünfzig, von vorn. Dann hab ich gedacht, wenn ich aber nicht rechtzeitig nachsehe, dann kann es auch wieder zu spät sein.

»Dann hab ich gedacht, wie ich mich vielleicht irgendwie zuschließen könnte. Ich kenne ein Mädchen, die ist mal ins Ausland gefahren einen Sommer, und die hat mir von so 'ner Art Eisengürtel erzählt, in einem Museum, wo ein König oder sonst was immer die Königin drin eingeschlossen hat, wenn er weg mußte, in dem Gürtel, mein ich, und ich dachte, wenn ich so einen bloß hätte. Deswegen hab ich mir auch den Regenmantel geholt und den angezogen. Die Feldflasche, die hing daneben, und die hab ich mir auch geholt und mit ins——«

»Die Feldflasche?« sagte Horace. »Warum haben Sie das gemacht?«

»Ich weiß selber nicht, weshalb ich die genommen hab. Hatte wohl einfach bloß Angst, daß sie da hängen blieb. Aber ich hab immer gedacht, wenn ich doch bloß dieses französische Ding da hätte... Ich will was zu trinken.«   - William Faulkner, Die Freistatt. Zürich 1981  (zuerst 1931)

Verwandlungswunsch (2)  Immer wenn das kalte Wetter kommt oder mit anderen Worten in der Mitte des Herbstes, steht mir der Kopf nach verrückten Ideen, so von der ekszentrischen & ekszotischen Art, wie z. B. daß ich mich in eine Schwalbe verwandeln möchte, um ein Vorteil zu erwischen und in Länder zu fliegen, wos warm ist, oder Ameise sein und hübsch tief reinkriechen in eine Höhle und die im Sommer gehorteten Lebensmittel essen, oder eine Viper sein wie die im Zoologischen Garten, die sie hübsch in einem Glaskäfig stecken haben mit Heizung drin, damit sie nicht steif wem vor Kälte, denn das ist es nämlich, was mit den armen Menschen geschieht, die sich keine Kleidung nicht kaufen könn, so teuer wie die ist. Oder sich nicht wärmen könn, weils an Heizöl fehlt, an Kohle fehlt, an Brennholz fehlt, an Petroleum fehlt und auch an Penunse, denn wenn Einer Moneten hat, dann kann er in irgendeine Stampe gehn und sich einen guten Schnaps bestellen, na da merkt man doch gleich, wie das wärmt, obschon zuviel des Guten nicht gut ist, denn Mißbrauch ist aller Laster Anfang, und vom Laster kommt die Deckeneration sowohl des Leibes wie der moralischen Leiden eines Jeden, und wenn Eines herunterkommt auf die abschüssige Bahn mangels guten Benehmens in jedem Sinne, dann kann keiner und nichts ihn davor bewahren, daß er im schrecklichen Mülleimer menschlicher Geringschätzung endet und es gibt ihm keiner auch nicht nur keine Hand, um ihn aus dem unreinen Schlamm zu ziehn, in welchem er sich wälzt, nicht anders als war er ein Kondor, der, als er jung war, zu eilen und fliegen verstand um die hohen Bergesgipfel, im Alter aber abstürzt wie'n Bomber im Sturzflug, dem der moralische Motor versagt hat. Und hoffentlich dient das, was ich schreib Jemandem, daß er sein Verhalten überprüfe, und er nicht bereut, wenn es schon zu spät ist und alles im Eimer wegen seiner Schuld!  - Cesar Bruto: Was ich gerne sein möchte, wenn ich nicht aas wäre, was ich bin. (Kapitel: Der Bernhardiner Hund.)  Nach (ray)
 

Wünsche Verwandlung


Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme