Verteidigungsvorbereitungen    Die Geschichte mit dem schwarzen Bindfaden um die Türklinke begann ja erst etliche Stunden später, denn inzwischen hatte Oliveira sowohl in seinem Zimmer wie außerhalb einiges getan. Die Idee mit den Waschschüsseln konnte klassisch genannt werden, und er bildete sich in keiner Weise etwas darauf ein, daß er sie zu neuen Ehren brachte; aber eine im Dunkeln auf den Fußboden gestellte Wasserschüssel stellte eine ganze Reihe ziemlich subtiler Defensivwerte dar: Überraschung, womöglich Entsetzen, in jedem Fall aber die blinde Wut, welche der Feststellung folgt, daß man einen Schuh von Fanacal oder Tonsa ins Wasser getaucht hat, und auch den Strumpf (um das Maß voll zu machen), und alles wassertriefend, während der völlig verstörte Fuß sich im Strumpf bewegt, und der Strumpf im Schuh, wie eine ersaufende Ratte oder wie einer von diesen armen Kerlen, die von eifersüchtigen Sultanen in den Bosporus geworfen wurden, in einem zugenähten (mit Bindfaden, natürlich, zugenähten) Sack: so fand schließlich eins zum ändern, und war es nicht lustig, daß die Schüsseln voll Wasser und die Bindfäden am Schluß der Überlegung zusammenfanden und nicht am Anfang, aber an diesem Punkt gestattete sich Horacio die Mutmaßung, daß die Reihenfolge der Überlegungen a) nicht der physischen Zeit zu folgen habe, dem Vorher und Nachher, und daß b) der Gedankengang sich vielleicht unbewußt vollzogen und ihn deshalb vom Begriff Bindfaden auf den der Wasserschüssel gebracht habe). Kurzum, sobald er anfing, die Sache ein wenig zu analysieren, verfiel er einem schlimmen Determinismus-Argwohn; das beste war, sich weiterhin zu verschanzen, ohne sich allzusehr auf Gründe oder Präferenzen einzufassen. Aber wie dem auch sei, was kam nun zuerst, der Bindfaden oder die Waschschüssel? Als Vollzug, die Waschschüssel, der Bindfaden aber war von langer Hand geplant. Es lohnte nicht, sich weiter den Kopf zu zerbrechen, wenn das Leben auf dem Spiel stand; viel wichtiger war es, Waschschüsseln auf zutreiben. Und so verging die erste halbe Stunde mit einer gründlichen Durchsuchung des zweiten Stocks sowie eines Teils des Erdgeschosses, von wo er mit fünf Schüsseln mittlerer Größe, drei Spucknäpfen und einer leeren Marmeladenbüchse zurückkam, was alles man unter dem allgemeinen Rubrum Wasserschüsseln zusammenfassen konnte. Der 18, der nicht schlief, bestand darauf, ihm zu helfen, was ihm Oliveira in der Absicht erlaubte, ihn abzuschütteln, sobald die Verteidigungsmaßnahmen ein gewisses Ausmaß erreicht haben würden. Was die Wollfäden betraf, so stellte sich heraus, daß der 18 ganz brauchbar war, denn kaum hatte er ihn in gedrängter Form über die strategischen Erfordernisse ins Bild gesetzt, als er auch schon die grünen Augen von maligner Schönheit verdrehte und sagte, die 6 habe ganze Kartons voll bunter Wollfäden. Das einzige Problem war, daß die 6 im Erdgeschoß wohnte, in Remorinos Flügel, und wenn Remori-no aufwachte, würde der ihnen den Marsch blasen. Darüber hinaus behauptete der 18, daß die 6 verrückt sei, was das Eindringen in ihr Zimmer erschwere. Die grünen Augen von maligner Schönheit verdrehend, machte er Oliveira den Vorschlag, auf dem Flur Wache zu halten, während er selbst die Schuhe ausziehen und sich der Wollfäden bemächtigen würde, aber Oliveira meinte, das ginge zu weit, und beschloß, persönlich die Verantwortung dafür zu tragen, daß er um diese Nachtzeit in das Zimmer der 6 eindrang. Es entbehrte nicht der Komik, an Verantwortlichkeit zu denken, während man in das Schlafzimmer eines Mädchens einfiel, das, auf dem Rücken Hegend und schnarchend, den schlimmsten Überfällen ausgesetzt war. Taschen und Hände voll verknäulter Woll-und Bindfäden, blieb Oliveira stehen und betrachtete sie eine Weile, aber dann zuckte er mit den Schultern, wie um den Affen Verantwortung abzuschütteln. Der 18, der in seinem Zimmer auf ihn wartete und die auf dem Bett zusammengetragenen Schüsseln betrachtete, fand, Oliveira hätte nicht genug Bindfäden zusammengerafft. Die grünen Augen von maligner Schönheit verdrehend, beharrte er darauf, daß man zur wirkungsvollen Vervollständigung der Verteidigungsvorberei-tuneen eine beachtliche Menge von Rollemans und eine Heftpistole brauchte. Die Idee mit den Rollemans fand Oliveira gut, obwohl er keine so rechte Vorstellung hatte, was das wohl sein könnte, aber die Heftpistole lehnte er rundweg ab. 18 riß die grünen Augen von maligner Schönheit weit auf und sagte, eine Heftpistole wäre nicht das, was der Doktor sich vorstellte (er sagte »Doktor« mit der gehörigen Betonung, so daß jedermann merken würde, er sagte es nur, um zu frozzeln), aber mit Rücksicht auf seine Ablehnung, würde er lediglich versuchen, die Rollemans zu beschaffen. Oliveira ließ ihn gehen, in der Hoffnung, daß er nicht wiederkäme, denn er hatte Lust, allein zu sein.  - (ray)
 

Verteidigung Vorbereitung

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