ertauschung  Geschichte und Person Friedrichs II. von Preußen - den die Preußen selber ›den Großen‹ heißen - haben uns ja bis in die jüngste Zeit zahlreiche Rätsel aufgegeben. Warum, zum Beispiel, sprach er nur französisch? Warum konnte er vor den Schlesischen Kriegen Flöte blasen und danach nicht mehr ? Wie war das mit seiner Frau ? Mit dem Bruder Heinrich ? Mit seinen Symphonien, die er von Graun hatte komponieren lassen und als eigene ausgab, obwohl er in seiner Jugend selber komponierte ? Warum wurde er 1742 geizig ? Wie gesagt, erst in jüngster Zeit haben die historischen Forschungen des Zwi Ygdrasilovic verblüffendes Licht in die vielbeschriebene, aber dennoch dunkle Biographie Friedrichs II. gebracht.

Kernpunkt der Ereignisse ist die Schlacht bei Mollwitz am 10. April 1741. Die Schlacht entwickelte sich sehr günstig für die Preußen. Der preußische Sieg war durch des österreichischen Feldzugmeisters Neipperg Feldherrentalent kaum gefährdet, aber ernstlich in Frage gestellt durch des preußischen Königs eigensinnige Befehle, so daß der preußische General Schwerin dem König in einer historisch gewordenen Szene höchster Verzweiflung - er soll dabei in Friedrichs Stiefel gebissen haben - eine bald zu erwartende Niederlage vorgaukelte. Er bat den König, sofort das Schlachtfeld zu verlassen, denn er — Schwerin - könne für das Leben und die Freiheit des Königs nicht mehr garantieren. Raunzend stieg Friedrich auf sein Pferd und ritt gegen Oppeln, das aber inzwischen von einer Eskadron ungarischer Czaky-Husaren besetzt worden war. Nichtsahnend verlangte Friedrich vor den Toren Oppelns Einlaß. Der ungarische Husarenleutnant Werner — so sagt die offizielle preußische Historiographie - habe den König erkannt, aber (›Laß mir laufen, Cerl, ick werd dichs lohnen, soll Friedrich gesagt haben) nicht gefangengenommen. Auf dem Rückweg habe dann Friedrich die Nachricht vom Sieg bei Mollwitz erfahren.

Soweit die offizielle Version. Sie ist eine Fälschung. Tatsächlich hat nämlich Werner den König Friedrich gefangen. Er wurde auf ein Schloß in Ungarn gebracht. Sodann begann Maria Theresia mit dem preußischen Oberkommando Geheimverhandlungen. General von Schwerin, der über den segensreichen Verlust des königlich-strategischen Hemmschuhs alles andere als unglücklich war und die Gefangennahme des Königs tunlich verschwiegen hatte, lehnte es ab, den König auszulösen. Man war sich in Österreich danach auch nicht mehr so sicher, ob man mit der dubiosen Person wirklich den König gefangen hätte, versäumte es aber nicht, sie jedenfalls streng zu bewachen und den Aufenthalt außerordentlich geheimzuhalten.

Karl Alexander von Lothringen, der sich gerade grantig vom Oberbefehlshaberposten des österreichischen Heeres zurückgezogen hatte, kam dazu noch - nach langem Nachdenken -auf die zunächst blendend erscheinende, wie sich aber herausstellen sollte folgenschwere und nachgerade tragische Idee, zur Irreführung feindlicher Agenten einen Doppelgänger Friedrichs auf einem nicht ganz so geheimgehaltenen Schloß festzusetzen. Es fand sich auch im österreichischen Heer ein junger Leutnant verblüffender Ähnlichkeit mit Friedrich, ein gewisser Diodat Chaos, Freiherr von Richtberg. Chaos wurde als Pseudo-Friedrich abkommandiert und gefänglich im Schloß Salaberg bei Haag in die Obhut des ahnungslosen Grafen Sprintzenstein gegeben.

Die Täuschung der feindlichen Agenten gelang so vollkommen, daß über die alsbald geknüpften Fäden der gefoppten preußischen Geheimpolizei auf Allerhöchste Weisung Maria Theresias ungemein verwirrende Kabinetts-Ordres ins feindliche Lager geschickt werden konnten. Beinahe hätte Österreich dadurch den Krieg gewonnen. Jedenfalls aber soll Maria Theresia darüber so gelacht haben, daß angeblich eine ihrer zahlreichen Fehlgeburten darauf zurückzuführen gewesen sei.

Das Lachen verging der armen Frau, als es den feindlichen Agenten gelang - nebenbei: gegen den Befehl des einsichtigen Schwerin -, den falschen Friedrich zu befreien. Maria Theresia präsentierte sofort den echten Friedrich, der hohnlachend zurückgewiesen wurde. Eine Flugschrift mit der Aufklärung des wahren Sachverhalts wurde als plumpe österreichische Propaganda abgetan. Der falsche Friedrich hütete sich begreiflicherweise, seine Identität mit dem Leutnant Chaos preiszugeben. Was wußte er, was die Preußen mit einem falschen Friedrich alles anfingen? Er spielte den König weiter. Es stellte sich aber heraus, daß der König - was Wunder - nun ein ganz anderer König war. Er bewies nach und nach nicht nur ein erstaunliches Feldherrntalent, die Preußen gewahrten an ihrem König auch die an Geiz grenzende Sparsamkeit, eine chaotische Familienerbeigenschaft, die ja mit ›Friedrich‹ in die Geschichte eingegangen ist. Die Hofhaltungskosten wurden auf jährlich 200000 Gulden beschränkt, ein Betrag, den Ludwig XV. von Frankreich allein für das Bügeln der Schuhbandel seiner Ersatz-Violonisten aufwandte. Um seine Unkenntnis der preußischen Sprache zu verbergen und um sich durch sein Deutsch nicht zu verraten, sprach Chaos, als Friedrich, von Stund an nur mehr französisch. Der unmusikalische Chaos versuchte zwar Flöte zu spielen - er hielt es zunächst für eine Art Kricket -, erregte aber bereits den Verdacht Quantz'. Da erklärte Friedrich, also Chaos, ein hartnäckiges Wimmerl an der Unterlippe verbiete es ihm, weiterzublasen, und er wolle sich nun der Literatur zuwenden, einer Kunst, in der Talentlosigkeit kaum oder nicht so rasch auffällt. Das Komponieren stellte er ein. Philipp Spitta datierte die letzten Kompositionen Friedrichs auf 1755. Die Echtheit aller Stücke nach 1741 ist aber von der Musikwissenschaft - unabhängig von den Forschungen des Historikers Ygdrasilovic - längst angezweifelt. Seinen Lieblingsbruder, den Prinzen Heinrich, schickte er nach Rheinsberg. Die Königin — wer wäre wohl geeigneter gewesen, den Betrug zu durchschauen ? - schickte er nach Schönhausen, und, wie es so schön in der amtlichen Geschichtsschreibung heißt, er entsagte dem ehelichen Leben, besuchte die Königin nie und sah sie nur noch bei Galafesten, wo er ihr gelegentlich zuwinkte. Wie minuziös die ganze Geschichte dann vom falschen Friedrich durchgeführt wurde, zeigt die Sache mit dem Husarenleutnant Werner, der ihn nach der offiziellen Version in Oppeln hatte laufenlassen. Als Werner in des falschen Friedrichs Dienste getreten war, machte ihn Chaos - ein Hohn der wahren Umstände - in Anerkennung seiner Verdienste zum General.

Alles in allem: eine Tragik Österreichs, denn niemals hätte die feldherrliche Niete eines echten Friedrich die Schlesischen Kriege gewonnen. Erst mit dem österreichischen Leutnant Chaos zog sich Österreich - wie so oft - gleichsam als umgekehrter Münchhausen mit eigener Hand an den Haaren in den Sumpf. -

Interessant ist daneben das Geschick des echten Friedrich, der, zunächst tobend, dann resigniert dem Lauf der Dinge zusehen mußte. Was lag näher, als - ein echt österreichischer Gedanke - mit dem echten Friedrich nun die sozusagen vakant gewordene Person des Leutnants von Chaos aufzufüllen ? Friedrich wurde - auch diesen Betrug merkte niemand - Theaterintendant in Linz (was der bedeutende Linzologe Ludwig Plakolb, leider auf unzuverlässige Quellen gestützt, bestreitet), reüssierte auch hier nicht und wurde dann Flötist am Theater an der Wieden. Der in dunkle Zusammenhänge wie immer eingeweihte Schikaneder wußte wohl, warum er gerade für dieses Theater die ›Zauberflöte‹ (!) schrieb. Friedrich blies bei der Uraufführung die zweite Flöte, lang nach seines falschen Ebenbildes Tod, und überlebte auch dieses Ereignis um gute fünf Jahre, bis er 1796 im Kreise seiner zahlreichen Nachkommenschaft starb. Die Familienverhältnisse dieser Nachkommenschaft wurden durch eine Reihe nahezu inzestuöser Ehen im Laufe zweier Generationen so verwickelt, daß selbst die Familienmitglieder oft nicht mehr durchschauten, wer Onkel und Tante, wer Neffe und Nichte war, was man in Wien als ›chaotische Familienverhältnisse‹ bezeichnete . . .« - (ruin)

Vertauschung (2) Ich kann mein inneres Verhalten zur Welt, oder zur Gesellschaft, nicht anders als widerspruchsvoll bezeichnen. Bei allem Verlangen nach Liebesaustausch mit ihr eignete ihm nicht selten eine sinnende Kühle, eine Neigung zu abschätzender Betrachtung, die mich selbst in Erstaunen setzte. Ein Beispiel dafür ist der Gedanke, der mich zuweilen beschäftigte, wenn ich gerade, im Speisesaal oder in der Halle, die Hände mit der Serviette auf dem Rücken, einige Minuten müßig stand und die von den Blaufräcken umschwänzelte und verpflegte Hotelgesellschaft überblickte. Es war der Gedanke der Vertauschbarkeit. Den Anzug, die Aufmachung gewechselt, hätten sehr vielfach die Bedienenden ebensogut Herrschaft sein und hätte so mancher von denen, welche, die Zigarette im Mundwinkel, in den tiefen Korbstühlen sich rekelten — den Kellner abgeben können. Es war der reine Zufall, daß es sich umgekehrt verhielt - der Zufall des Reichtums; denn eine Aristokratie des Geldes ist eine vertauschbare Zufallsaristokratie.  - Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb. 639, zuerst 1954)

Vertauschung (3) Eines Nachts war Dschu betrunken, ging zu Bett und ließ den Richter allein weitertrinken. In seinem trunkenen Schlaf hatte er das Gefühl eines Schmerzes im Magen.

Als er aufwachte, sah er. wie Lu an seinem Bette saß, seinen Leib aufgeschnitten hatte, Magen und Gedärme herausnahm und Stück für Stück ordnete.

«Was habe ich Euch Böses getan», schrie Dschu entsetzt, «daß Ihr mich umbringen wollt?» «Keine Angst», antwortete der Richter lachend, «ich gebe dir nur ein klügeres Herz.» Dann stopfte er ruhig Dschus Gedärme wieder hinein, schloß die Öffnung und schützte sie mit einem Verband, den er fest um seine Hüften wickelte. Nach Beendigung der Operation zeigte das Bett nicht die mindesten Blutspuren: Dschu fühlte nur eine gewisse Taubheit in seinem Inneren. Er sah, wie Lu ein Stück Fleisch auf den Tisch legte, und fragte ihn. was das wäre.

«Dein Herz», sagte dieser, «mit deinen Aufsätzen geht es nicht schnell genug, weil die richtigen Öffnungen verstopft waren. Ich bin nun in die Hölle gegangen und habe unter den Tausenden von Herzen das beste herausgesucht. Deines behalte ich, um es dort wieder einzusetzen.»

Dann nahm er Abschied und schloß die Tür hinter sich.

Am Morgen besah Dschu sich den Schaden. Die Wunde war ganz verheilt, nur ein roter Saum war zurückgeblieben.

Von nun an wurde er ein tüchtiger Gelehrter. - P'u Sung-Ling, Gast Tiger. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 21, Hg. Jorge Luis Borges

Vertauschung (4) «Wenn Ihr Herzen vertauschen könnt, dann könnt Ihr sicher auch Gesichter ändern. Meine Frau hat ja so weit einen ganz schönen Körper, aber ihr Gesicht ist nicht gerade hübsch. Könnten Euer Gnaden Ihr Messer vielleicht auch einmal an ihr versuchen?» Der Richter lachte und sagte, das ginge: er wolle sich die Sache noch einmal überlegen. Einige Tage danach klopfte der Richter um Mitternacht an Dschus Türe, der eilig aufsprang und ihn einzutreten bat. Im Kerzenlicht sah er, daß der Richter etwas unter seinem Rocke trug. Auf seine Frage antwortete Lu:

«Es ist. um was du mich gebeten hast. Es hat mir aber viel Umstände gemacht, das Richtige herauszufinden. Es ist mir glucklich gelungen, den Kopf eines hübsch aussehenden jungen Mädchens zu finden. Bitte schön, hier ist er.»

Dschu sah den Kopf an und fand das Blut am Halse noch feucht.

«Wir müssen uns beeilen», sagte Lu, «und aufpassen, daß wir die Hühner und Hunde nicht aufwecken. »

Dschu fürchtete, daß die Tür seiner Frau verschlossen sein möchte, aber der Richter streckte nur seine Hand aus, und sie öffnete sich sofort. Dschu führte ihn an das Bett, in welchem seine Frau auf der Seite lag und schlief. Der Richter gab Dschu den Kopf zu halten und zog aus seinem Stiefel ein scharfgeschliffenes Messer, das aussah wie ein Löffelstiel. Er setzte es am Halse der Dame an und schnitt ihn stracks durch, wie wenn es eine Melone gewesen wäre. Der Kopf fiel über das Kissen zuruck. Darauf nahm er den Kopf des schönen Mädchens, paßte ihn sorgfältig und genau an, druckte ihn fest und umpolsterte ihn mit Kissen über den Schultern. Als alles fertig war, befahl er Dschu, den alten Kopf an einem stillen Ort zu begraben; dann ging er.

Beim Aufwachen fühlte Frau Dschu ihren Hals etwas schief und Rauheiten in der Kiefergegend.   - P'u Sung-Ling, Gast Tiger. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 21, Hg. Jorge Luis Borges

Vertauschung (4)  Aufgabe: Vertauschung der Persönlichkeiten ohne Vertauschung der Gehirne.

Basis für alle Untersuchungen: frühere Experimente haben bewiesen, daß jeder Körper eine Seele besitzt. Denn Seele und Leben sind untrennbar voneinander, und alle Organismen haben zwischen ihrer Geburt und ihrem Sterben eine mehr oder weniger differenzierte Seele, je nachdem sie selber einen feineren oder primitiveren Organismus haben. So hat vom Menschen bis zu den Polypen und bis zum Moos herab jedes Lebewesen seine eigene Seele. (Schlafen die Pflanzen nicht? Atmen sie nicht? Und verdauen sie nicht? - Warum also sollten sie nicht auch denken können?)

Das beweist also, daß dort, wo kein Hirn ist, eine Seele ist.

Denn, Seele und Hirn sind unabhängig voneinander.

Mithin kann man die Seelen vertauschen, ohne daß man die Gehirne zu vertauschen braucht. - Maurice Renard, Der Doktor Lerne. Mit Illustrationen von Armin Stähle. Reinbek bei Hamburg 1985 (zuerst 1920)

Echtheit Kombinatorik Tausch
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