erschwommenheit   Wir lasen den Artikel mit einiger Sorgfalt. Die Stelle, an die Bioy sich erinnert hatte, war wohl die einzige überraschende. Alles übrige klang recht wahrscheinlich und war auf den allgemeinen (selbstredend ein wenig langweiligen) Tonfall des Werks abgestimmt. Als wir ihn ein zweites Mal lasen, stellten wir hinter seiner streng sachlichen Schreibweise eine grundlegende Verschwommenheit fest. Von den vierzehn Namen, die im geographischen Teil vorkamen, erkannten wir nur drei wieder — Khwaresm, Armenien, Erzerum —, die auf zweideutige Art in den Text eingeschmuggelt waren. Von den historischen Namen nur einen einzigen, den des betrügerischen Zauberers Smerdis, auf den jedoch mehr metaphorisch Bezug genommen wurde. Die geographische Notiz schien die Grenzen Uqbars zu umreißen, aber ihre nebelhaften Bezugspunkte waren Flüsse und Bergketten des Gebiets selbst. So lasen wir zum Beispiel, daß die Tiefebene von Tsai Khaldun und das Delta des Axa die Südgrenze bilden, und daß sich auf den Inseln dieses Deltas die Wildpferde vermehren. So zu Beginn von Seite 918. Dem geschichtlichen Abschnitt (Seite 920) entnahmen wir, daß bei Ausbruch der religiösen Verfolgungen des 13. Jahrhunderts die orthodoxen Gläubigen auf den Inseln Zuflucht suchten, wo sich ihre Obelisken bis heute erhalten haben, und wo man im Boden nicht selten auf ihre steinernen Spiegel stößt.

Der Abschnitt Sprache und Literatur war kurz. Ein einziger bemerkenswerter Charakterzug: Es war angemerkt. daß die Literatur Uqbars phantastischer Natur sei. und daß ihre Epen und ihre Legenden sich nie auf die Wirklichkeit bezögen, sondern auf die beiden Phantasiereiche Mlekhnas und Tlön....... Die Bibliographie zählte vier Bücher auf, die wir bis heute nicht ausfindig gemacht haben, obwohl das dritte — Silas Haslam: History of the Land Called Uqbar, 1874 - den Katalogen der Buchhandlung Bernard Quaritch aufgeführt ist. Das erste: Lesbare und lesenswerthe Bemerkungen über das Land Ukkbar in Klein-Asien, stammt von 1641 und ist ein Werk von Johannes Valentinus Andreä. Ein bemerkenswerter Umstand: ein paar Jahre danach stieß ich in den Schriften von De Quincey (Writings, XIII) unvermutet auf diesen Namen und erfuhr, daß ein deutscher Theologe so hieß. der zu Beginn des 17. Jahrhunderts die imaginäre Gemeinschaft der Rosenkreutzer beschrieb — die andere daraufhin gründeten, indem sie seinen vorausschauenden Entwurf nachahmten.

Noch in derselben Nacht begaben wir uns in die Nationalbibliothek. Umsonst schlugen wir Atlanten, Kataloge, Jahrbücher geographischer Gesellschaften, Memoiren von Reisenden und Geschichtsschreibern nach: Niemand war je in Uqbar gewesen. Ebensowenig verzeichnete der Hauptindex von Bioys Enzyklopädie diesen Namen. Am folgenden Tag entdeckte Carlos Mastronardi (dem ich die Sache unterbreitet hatte) in einer Buchhandlung in der Straße Corrientes y Talcahuano die schwarzen, in Gold gepreßten Bände der Anglo-American Cyclopaedia... Er ging hinein und sah in Band XLVI nach. Selbstverständlich fand er nicht den geringsten Hinweis auf Uqbar. - Jorge Luis Borges, Tlön, Uqbar, Orbis Tertius (1941)

Täuschung Undeutlichkeit
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