erschwisterung
Wenn es immer, unter menschlichen Menschen, einverstanden war, daß schöne schlanke
junge Bäume schöne heimliche junge Mädchen
sind, — unsterbliche, oder, bitterer, halbsterbliche, — so läßt Goethe
am Schlusse des Helena-Aktes die Rückverwandlung
seines zarten Chors in Pappel und Fruchtbaum und Zypresse vor unsern Augen Wahrheit
werden, und in Versen von leidenschaftlicher Sehnsucht schwanken Leib und schlanken
Stamm, Haltung, Wachstum, Haar und Laub sich bis zur Unentscheidbarkeit verschwistern.
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(
garten
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Verschwisterung
(2)
Pupille du bist der Augen Christ
Zwanzigstes der Jahrhunderte Waisenkind wie einen Augapfel hütet
er dich und das Jahrhundert in einen Vogel verwandelt erhebt
es sich Die Teufel in ihrem Abgrund heben den Kopf und sehen
es an Sie sagen das sei Simon dem judäischen Magus gleichgetan
Sie rufen haltet den Dieb weil er sich hoch in die Lüfte schwingt
und ein Kreis von flatternden Engeln den anmutigen Helden der
Höhe umringt Ikarus Enoch Elias Apollonius von Tyan schweben
umgeben den ersten Aeroplan Seelen vom heiligen Mahl getragen
durchfliegen den Reigen und Priester die mit erhobner Hostie
zum Himmel steigen Das Flugzeug landet endlich ohne die Flügel
zu falten und der Himmel füllt sich mit Millionen von Schwalben
Pfeilschnell kommen die Raben die Falken die Eulen an und
aus Afrika Ibis Fkmingo und Pelikan Der Vogel Rok gefeiert in
Sagen und in Gesängen kommt kreisend den ersten Schädel Adams
Haupt in den Fängen Mit einem großen Schrei ist der Adler vom
Himmelsrand da und der winzige Kolibri aus Amerika Die seidigen
langen Pihis sie kommen aus China in Scharen Sie haben nur eine
Schwinge Sie fliegen zu Paaren Der Geist ohne Makel die Taube
ist da und schau der Leiervogel begleitet sie und der tausendäugige
Pfau Und sieh wie der Phönix die Feuerstatt aus sich selbst
erneuert Für einen Herzschlag alles mit glühender Asche verschleiert
Die Sirenen verlassen des Meeres gefährliche Engen und kommen
zu dreien herbei mit zauberischen Gesängen und alle Adler Phönix
und Pelikan verschwistern sich der Maschine die fliegen kann
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- Guillaume Apollinaire, aus: Zonen, nach
(mus)