Der verscheuchte Teufel.
Kupferstich von Charles Eisen (1762)
Der antike Gedanke bei der Entblößung der Geschlechtsteile war der,
daß das feindliche Auge durch den Anblick des Obszönen derart gefesselt und
fasziniert wird, daß es nur mehr das Obszöne sieht und damit für alles andere
ungefährlich wird, woraus sich auch die Feige und die Muschelamulette
erklären. Erinnert sei, daß selbst Luther sich
des Teufels nicht anders erwehren konnte, als daß er ihm den entblößten Hintern
zum Bett heraussteckte. - (
erot
)
Verscheuchen (2) »Bist du noch da?« flüsterte ich. »Warum bist du zu mir gekommen? Was willst du von mir?«
Ich holte tief Luft und hielt den Atem an. Denn in einer versteckten Betonhöhlung, unter einem kleinen Zementbunker, unter der wackeligen Brücke, drüben, auf der anderen Seite...
Es schien mir, als sähe ich ein verschmiertes Haarbüschel auftauchen, und dann eine ölbedeckte Stirn. Augen starrten zu mir herüber. Es konnte ein Seeotter sein, oder ein Hund, oder ein schwarzer Tümmler, der sich verirrt hatte und in den Kanal geraten war.
Eine ganze Zeit lang ragte der Kopf halb aus dem Wasser.
Und ich erinnerte mich an etwas, was ich als kleiner Junge gelesen hatte, damals, als mich Romane über Afrika so faszinierten. Etwas über die Krokodile im Kongo, die in Scharen in Aushöhlungen in den Ufern, unter der Wasseroberfläche, lauerten. Die Biester tauchten unter und waren nicht mehr zu sehen. Unter Wasser glitten sie in die unsichtbare Höhle und warteten auf jemanden, der so dumm war, hier herumzuschwimmen. Dann schlängelten sich die Reptilien aus ihrem Unterwasserversteck heraus und hielten ihre Mahlzeit.
Schaute ich in diesem Moment auf so ein Untier hinab? Auf jemanden, der die nächtlichen Fluten liebte, der sich in Verstecken unter Ufern aufhielt und dann herausstieg und mit sanften Schritten davonging, auf seinem Weg Regen fallen ließ?
Ich schaute hinab auf den dunklen Kopf im Wasser. Er schaute zu mir herauf, seine Augen funkelten.
Nein. Das kann kein Mensch sein!
Ich zitterte. Ich machte einen raschen Schritt in seine Richtung, so wie man auf etwas Schreckliches zuspringt, damit es verschwindet, wie man Spinnen, Ratten, Schlangen verscheucht. Nicht Verwegenheit, sondern Angst ließ mich aufstampfen.
Der dunkle Kopf ging unter. Die Wasseroberfläche kräuselte sich.
Der Kopf kam nicht mehr zum Vorschein.
Mir schauderte, als ich zurücklief, die Spur dunklen Regens entlang bis zu
meiner Tür, der er einen Besuch abgestattet hatte. -
Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989
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