Verlust, spürbarer   Welcher Mangel oder Verlust eines Sinnes ist wichtiger, der des Gehörs oder des Gesichts? - Der erstere ist, wenn er angeboren wäre, unter allen am wenigsten ersetzlich; ist er aber nur später, nachdem der Gebrauch der Augen, es sei zu Beobachtung des Gebärdenspiels, oder, noch mittelbarer, durch Lesung einer Schrift schon kultiviert worden, erfolgt: so kann ein solcher Verlust, vornehmlich bei einem Wohlhabenden, noch wohl notdürftig durchs Gesicht ersetzt werden. Aber ein im Alter Taubgewordener vermißt dieses Mittel des Umgangs gar sehr, und, so wie man viele Blinde sieht, welche gesprächig, gesellschaftlich und an der Tafel fröhlich sind, so wird man schwerlich einen, der sein Gehör verloren hat, in Gesellschaft anders als verdrießlich, mißtrauisch und unzufrieden antreffen. Er sieht in den Mienen der Tischgenossen allerlei Ausdrücke von Affekt, oder wenigstens Interesse, und zerarbeitet sich vergeblich, ihre Bedeutung zu erraten, und ist also selbst mitten in der Gesellschaft zur Einsamkeit verdammt.   - Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht
 

Verlust Spüren

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