erleger
Ein kleiner, schmutzig gekleideter, schiefabsätziger Herr
mit langem rotem Bart ging an uns vorüber am
Seinestrand. - "Was, Sie kennen den mystischen
Verleger Chacornac nicht und leben schon so lange in Paris?"
- sagrte ein junger Franzose zu mir und lächelte. Ich liebe es nicht, wenn
die Menschen über jemand lächeln, weil ich schon
oft die Beobachtung gemacht habe, daß immer nur über die feinsten Menschen
der Gesellschaft gelächelt wird, über Menschen,
die ihrem Schicksal nicht entrinnen können. Diese tragischen Menschen sind
immer die großen Sucher, die der Eintönigkeit des Lebens eine Nuance geben.
Ich interessiere mich prinzipiell für jeden Menschen, über den man lächelt,
und habe so oft merkwürdige Typen gefunden. Chacornac war auch ein solcher.
Man erzählte mir von ihm, er sei Mitglied einer alchimistischen Sekte,
welche lehre, daß die Formel der mittelalterlichen Alchimisten in der Pariser
Kirche Notre Dame auf der Mauer aufgezeichnet sei und nur in einer Freitagsnacht
um 12 Uhr entdeckt wrden könne. Über diese Legende hat Huysmans
in seinem Gilles de Rais-Roman viel geschrieben und manche Idee von Chacornac
gestohlen. Die Kirchenverwaltung erlaubte den Alchimisten, daß sie sich
in jeder Freitagnacht in die Kirche schleichen und dort mit kleinen Lämpchen,
Kirchenlieder singend, auf den Mauern herumkraxelnd, die Formel suchen.
-
(szi)
Verleger (2) Wieland war mein erster Verleger.
Schon vorher war er mein Freund, und er blieb es, obwohl er mein Verleger wurde.
Er war klein von Wuchs, wie auch sein Bruder John Heartfield, der «Dadamotor»
der Dada-Bewegung; er hatte einen feinen Kopf und trug, als ich ihn kennenlernte,
sogenannte Ponyfransen. Diese und ein ihm eigenes, süffisant überlegenes Lächeln
gaben ihm etwas Kokettes, aber wenn er, damals noch zur Schule gehend, mit seinen
Büchern unter dem Arm der Straßenbahn nachrannte und sich im Fahren auf die
rückwärtige Plattform schwang, erschien er mir als ein Bild jugendlicher Kraft.
Für seine Freunde einzutreten, war ihm selbstverständlich. Sprach jemand respektlos
über sie, so setzte es oft Backpfeifen und kleine
Schlägereien. Die Dichterin Else Lasker-Schüler
hatte ihn «Roland» getauft. Als ein bekannter Literat sich einmal über sie lustig
machte, warf Wieland-Roland ihn aus dem Café des Westens hinaus. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein
großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst
1955