Verlagerung   Es war nur das Tablett, das mich in diesem Augenblick noch hemmte. Nur dessen hölzerne Barriere quer vor meiner Brust verhinderte, daß ich mich auf die Polin warf, daß ich sie in mein Moorbad riß, daß ich mich auf sie wälzte und sie so lange unter das Wasser drückte, bis ihre operierten Beine jedes Zappeln ließen und ich den stillgelegten Rumpf ohne die Zeugenschaft des Kopfs gebrauchen konnte. Selbst meinen Augen wäre die Arbeit meiner Hände im schwebstoffrei-chen Badewasser unsichtbar geblieben. Ach, was mir während aller bisherigen Aufträge - und nur noch dort! - geglückt war, daß mir ein Phantasieren mir nichts, dir nichts in das Ruckzuck der Tat hinüberschnappte, es wurde dieses Mal erneut tückisch vereitelt: Auf dem Tablett standen, flachbauchig und aus dunkelgrünem Glas, jene mir wohlbekannte Halbliterflasche des tschechischen Magenbitters und treu an dessen Seite der Pfefferminzlikör, den ich nach unermüdlichem Probieren einst als ideale Zumischung gefunden hatte. Sogar das Sucko war, wie auf der Szene längst nicht mehr gebräuchlich, in ein zylindrisches Fläschchen abgefüllt. Von so viel alter Form beklommen, tupfte ich mit den Fingerspitzen an die Flaschen, beide waren, wie ich es früher liebte, im Wasserbad fast kochend heiß gemacht. Inzwischen hatte es die Polin aufgegeben, den Fernseher wiederzubeleben. Sie war vom Wannenrand herabgeklettert. Schon schenkte sie mir ein, traf ganz genau die rechten Mengen, quirlte mit einem langen roten Plastiklöffel in der Mischung, bis das erweichte Sucko Fäden zog und sich, die Destillate trübend, löste.

Als sie gegangen war, nicht ohne mir ein »Wohlbekomm's!« zu wünschen, verharrte ich ein Weilchen still, betrachtete zuletzt, wie von meinen aufgetauchten Händen das Heilbad triefte, und ließ dann alles, Glas, Flaschen und Tablett, ins Wasser plumpsen. Die schweren, noch fast vollen Flaschen kullerten mir über den Unterleib und klopften dumpf auf den Boden der Wanne. Der heiße Likör lief aus, wärmte die lau gewordene Brühe. Ich kletterte hinaus, griff nach dem Handtuch und rieb, was an mir klebte, in seinen Flausch. Dabei sah ich, über meinen flacher gewordenen Bauch hinweg, den bildlichen Ausdruck jenes Juckens, das sich im Bad mit meiner Geilheit verbrüdert hatte: Den Unterleib und auch die Innenseiten meiner Schenkel bedeckten, dicht und kegelförmig erigiert, die gleichen eiternden Pusteln, die meine Allergie zuvor nur an den Händen ausgetrieben hatte.   - Georg Klein, Barbar Rosa. Berlin 2001

 

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