Verhältnis, pädagogisches   Der Mensch, der sich entwickeln will, kann kaum anders als vom Menschen essen. Dieses Essen vom Menschen bedeutet: ihn so in sich aufnehmen, wie er ist, in diesem So-sein das Äußerste zu finden, was ein Leben enthielt. Das ist nicht mehr als die einfach-ehrliche Beziehung, wie sie zwischen Schüler und Lehrer besteht, denn der Lehrer ist das, was gegessen werden muß. In jedem Augenblick, in dem er wahrnehmbar wird, ist er schon Gewesenes und kein Unrecht daher, hiervon zu essen. Wie will sich ein Mensch aufbauen, ohne aus dem zu schaffen, was schon in vielen andren enthalten war? Das Besondre in jedem einzelnen ist ein Winziges, das noch endlose Zeiten durch Geschlechter wandeln muß, um ein Herrschendes zu werden, aber dieses Besondre ist auch nicht, ohne schon von der Natur vor dem Menschen angebahnt zu sein. Die Nahrung des Körpers also ist nicht zu entbehren, auch nicht in allen ihren Besonderheiten.  - Ernst Fuhrmann, Der Weg in die Zukunft. Nach (fuhr)

Verhältnis, pädagogisches  (2) »Sie scheinen lieber dem Raum als der Zeit zu vertrauen.«

»Sie haben recht; ich empfinde dem Raum gegenüber eine gewisse Zärtlichkeit, und zwar weil sich meine Wollust räumlich entfaltet, während sie von der Zeit begrenzt wird. Aber lassen Sie mich endlich in Ruhe oder studieren Sie erst einmal das Flugblatt über die Präposition ›nach‹: lernen Sie, eine Stunde lang über die metaleptische Katachrese zu sprechen, vielleicht reden Sie dann nicht mehr so leichtfertig drauflos.« »An dem Tag, an dem ich nicht mehr leichtfertig rede, werden Sie, trotz Ihres Glaubens an die Unsterblichkeit, trotz Ihres Alters, das noch vitaler ist als die Schmetterlingsnetze des Frühlings, tot sein, Mentor, mausetot.«

»Man könnte meinen, Sie freuten sich über diese Aussicht.«

»Ich beginne ja auch, Sie genauso wie die anderen Greise zu verachten. Sie leugnen die Zeit, die mir Ihnen gegenüber einen Vorteil verschafft; Ihr weißhaariger Schädel sagt nein zum Leben, unter dem Vorwand, den Tod zurückzuweisen, aber ich, ich, Telemach, die Geschmeidigkeit und die Kraft, die unermüdliche Rückkehr der Anstrengung zu ihrem Ausgangspunkt, ich, der ich sicher auf der Erde stehe, lasse mich nicht täuschen und lache mir eins. Wissen Sie, wenn Sie tot sind, werde ich von Ihnen mit verhaltener Emotion sprechen und in Streitgesprächen mich Ihrer Autorität bedienen, um Axiomen Anerkennung zu verschaffen, die meine These stützen. Ich verachte Sie wegen Ihres Schwachsinns, doch gehören Sie mir in der Zukunft, wie die Vergangenheit der Gegenwart gehört, die sie benützt, über sie lacht und sie verschleudert.« »Na also, allmählich verstehen wir uns. Sie machen erstaunliche Fortschritte.«

»Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie haben. Den Mantel der Ergebenheit lüftet eines schönen Tages der Wind. Man entdeckt, wenn Mentor hartnäckig die Treulosigkeit Kalypsos beweisen will, welches Band ihn eifersüchtig an diese Schönheit fesselt, die ihrerseits freilich dezenteren Liebesabenteuern zugetan ist.« »Den Sohn des Odysseus wird man unter den anderen Menschen immer an der Mäßigung seiner Worte erkennen.«

»Alter Heuchler, während Sie schliefen, hab' ich auf Ihrer Brust diese Tätowierung gesehen, diesen Hautkomplex, dieses Zeugnis über die Jahre hinweg, diesen zynischen Begleiter der Perversität. Aber selbst jetzt, da ich Ihnen die Maske herunterreiße, zeigt Ihr Gesicht noch diese würdevolle Miene, die Sie niemals ablegen.« »Ich bin gespannt, zu welch extremen Handlungen Sie diese schwerwiegenden Entdeckungen noch treiben werden.«

»Ihre Neugierde soll befriedigt werden: ich gehe jetzt zu Kalypso und lade sie ein, mit mir zu schlafen.« »Gehen Sie nur.«  - Louis Aragon, Die Abenteuer des Telemach. Frankfurt am Main 1985 (zuerst 1922)

 

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