erhältnisblödsinn   Die Fähigkeit, viele und wohltönende Worte zu finden, hinter denen kein echtes Wissen steckt, charakterisiert vor allen Dingen den oberflächlichen, viel redenden, auf Gesellschaften brillierenden Schwachkopf, für dessen Struktur Bleuler die Bezeichnung "Verhältnisblödsinn" in die Psychiatrie eingeführt hat. Diese Bezeichnung bedeutet, daß jemand zwar nicht klinisch schwachsinnig oder manifest dumm ist, gemessen am Durchschnitt der Bevölkerung, daß er aber im Verhältnis zu der Stellung, die er einzunehmen trachtet, nicht die nötigen intellektuellen Voraussetzungen mitbringt. Es kommt bei diesen Leuten, die über eine gewisse Wendigkeit und Fixigkeit im Phrasendreschen verfügen, zu einem Wortschwall, dessen Leere sich erst im Laufe eines längeren Gesprächs oder dann, wenn man ihnen dialektisch auf den Leib rückt, offenbart. Heinrich Heine hat einen solchen Menschen mit dem Ausspruch charakterisiert: "Er sprudelte vor Dummheit". - Horst Geyer, Prof. Dr. med. habil., Über die Dummheit (zitiert nach der 11. unveränderten Auflage Wiesbaden 1984, zuerst 1954)

Verhältnisblödsinn (2)  Liechtenstein sei an der gegenwärtigen Weltlage relativ schuldlos, sehe man davon ab, daß es zu viele Briefmarken drucke, und übersehe man seine finanziellen Kavaliersdelikte; es sei der kleinste Staat, der auf großem Fuße lebe. Auch unterliege ein Liechtensteiner nicht so leicht dem Größenwahn, sich einen besonderen Wert nur aus der Tatsache zuzuschreiben, daß er Liechtensteiner sei, wie dies etwa den Amerikanern, den Russen, Deutschen oder Franzosen zustoße, die a priori des Glaubens seien, ein Deutscher oder ein Franzose sei an sich ein höheres Wesen. Einer Großmacht anzugehören - und für einen Liechtensteiner seien notgedrungen fast alle anderen Staaten Großmächte, sogar die Schweiz -, bringe psychologisch für die davon Betroffenen einen bedenkliehen Nachteil mit sich, die Gefahr nämlich, einem bestimmten Verhältnisblödsinn zu erliegen. Diese Gefahr wachse mit der Größe einer Nation. Er pflegte das an einem Mäusebeispiel zu erläutern: Eine Maus, die sich mit sich allein befinde, betrachte sich durchaus noch als Maus, sobald sie sich aber unter einer Million Mäusen wisse, halte sie sich für eine Katze und unter hundert Millionen Mäusen für einen Elefanten. Am gefährlichsten seien jedoch die Fünfzig-Millionen-Mäusevölker (fünfzig Millionen als Größenordnung). Diese beständen aus Mäusen, die sich zwar für Katzen hielten, aber gerne Elefanten wären. Dieser übersteigerte Größenwahn sei nicht nur für die davon betroffenen Mäuse gefährlich, sondern jeweils auch für die ganze Mäusewelt. Das Verhältnis jedoch zwischen der »Mäuseanzahl« und dem von dieser erzeugten Größenwahn nannte er das »Schönbächlersche Gesetz«. Als Beruf gab er Schriftsteller an. - Friedrich Dürrenmatt, Justiz. Zürich 1987
 
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