Vergnügungshügel   Dieser Hügel ist in Planquadrate unterteilt: von C 3 gehen sie bis F 5, es sind also zwölf. Jedes Planquadrat hat seinen gesonderten Eintritt und seine Vergnügung, aber insgesamt sind sie ein Hügel, der unabhängig vom Schiff existiert, also Freude bringt, in all den Hügelfarben, mit all den Subhügeln, Rillen, Höhlen, mineralisch, botanisch, etwas zoologisch, betretbar.

C 3 ist der Hügeleingang; seinerseits hat er eine Eintrittstür aus Stacheldraht. Seine Vergnügung besteht in der Freude am Überwinden des Stacheldrahtes und im lehmigen Eintritt ins Hügelige.

C 4 liegt höher. Es hat eine Eintrittstür aus Fuchseisen. Seine Vergnügung besteht in einer Minigolf-Anlage, aus deren Löchern aber oft Füchse schnellen. Sie beißen den Sieger tief oder schenken ihm einen Fuchsschwanz.

C 5 ist die Gipfelzone. Sie betritt man am besten vom Himmel aus. Ihre Vergnügung besteht in einem frei aufgestellten Waschautomaten, um den gern Mädchen und Buben herumlaufen; das Programm ist auf 120 Grad Celsius eingestellt, der Kessel also langst explosionsreif, aber die Mädchen und Buben möchten diese kleine Gefahr nicht missen; sie gibt ihrem Tanz die Vulkanperspektive.

D 5 grenzt unmittelbar an. Zwischen C 5 und D 5 steht die Eintrittstür: ein wilder Birnbaum, durch dessen Astwerk man durchklettern muß. Den Baum bevölkern wilde Hummeln. Die Vergnügung besteht in einer herrenlosen Apotheke, in der man nicht nur die obligate Ätzpaste zur Heilung der Hummelwunden bekommt, sondern auch an allen möglichen bunten Tabletten, Dragees, Pillen, Kapseln und Zäpfchen naschen und die fast durchwegs unbeschrifteten Tiegelchen, Standgläser, Flaschen und Schubladen mit wildlateinischen Namen bunt beschriften darf. Pasta Mytilla nigra schreibt Mytilla Mitil in steiler Jungmädchenschrift stolz auf einen Tiegel, in dem sie aus Galläpfeltinte, schmierigem Naphthalinruß und weißer Zahnpaste ein tiefdunkelgraues Gesalb zum allmählichen Schwärzen von Filmstarzähnen angerührt hat. Pulvis canonicus Zeronis schreibt ein andermal Zero Zobiak auf ein vermeintliches Kanonen-Schießpulver aus Stärkemehl und rotem Phosphor, das in kleinen Mengen zur Mutprobe eingenommen auch recht spannend schmeckt. Schwer nur trennen sich die Menschen von D 5, um das tiefergelegene D 4 aufzusuchen.

D 4 muß erschwommen werden; das Bächlein ist bächleinklein, aber reißend. So besteht auch die Vergnügung von D 4 in ober-und unterirdischen Bachfahrten, Besuchen beim Fischotter, Wettnagen mit Wasserratten. Zur Erinnerung an das etwas milchigschmeckende Wasser nehmen sich Kinder gern einen Schwamm, den sie in den Bach getaucht haben, mit nach Hause.

D 3 hat als Eintrittstür Feuer. Einer jener anderwärts beschriebenen Hügelbrände wütet hier ständig. Mädchen und Buben halten einander die Hände ins Feuer und schwören sich Unsinn. Die Vergnügungen dieses Planquadrats bestehen denn auch in Nachahmungen kindlich mißverstandenen Hochzeiter-Lebens; allerdings sind hierbei auch schon süße kleine Entjungferungen vorgekommen. Aber die Muttis daheim schimpfen nicht: Ihr seid ja allerliebst, befinden sie über sämtliche D 3-Kinder.

Nach E 3 führt ein Hochspannungsseil. An ihm töten sich aber nur wenige D 3-Kinder, denn die meisten bleiben gern in D 3 oder hüpfen schräg nach E 4 hinüber. Die Vergnügungen in E 3 sind naturgemäß makaber. Sie bestehen in Kämpfen roter Ameisen- und Spinnenstämme um die kleinen Elektroleichen, aber nur Leute von Nachbarquadraten sehen zu. Da schau, der kleine Emil Ettlow, sagen sie zum Beispiel, die schöne Blitzzeichnung, die er hat, schad, die Ameisen haben ihm schon das schönste Muster wieder rausgefuttert; sind schnelle Bestien, allerhand.

Nach E 4, sagten wir schon, muß man schräg einhüpfen. Hier herrscht die Kreide. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene kommen an Sonntagen frühmorgens nach E 4 und bleiben im angenehmen Kreidemehl bis spätabends eingebuddelt. Sie liegen, sitzen, robben, streuen, reiben, sie scharren, häufen, wägen, kämpfen und lieben; viele denken einfach nach über ihre weiße Schönheit oder die des Hügels.

Durch eine Kreidetür kommt man auch nach E 5. Die Vergnügung dort besteht in einem Automatenbuffet. Es hat nur eine Münzöffnung, und in die paßt jeder der zahllos umherliegenden Rundkiesel. Es hat hundert Zuggriffe mit unbeschriebenen Emailtäfelchen darüber. Also muß man raten. Emil Ettlow, bevor er verschmorte, hielt zB den Mund unter den Auswurf und bekam sechs, sieben Hasenbemmerln hineingetropft. Mytilla Mitil kam mit klebrigen, hormonhaltigen Lutschplätzchen dran; sie erkannte ihre Kleinmädchenpsyche nach dem Genuß kaum wieder. Andere aßen Dörrkäfer um die Wette, käuten ausgediente Kaugummi wieder, rätselten um echte und giftige Beeren. Im ganzen war das Planquadrat friedlich: eigentlich starb nie jemand an dem Gegessenen; ein einziger Bub mußte am Blinddarm operiert werden, weil er Bartwichse aß, aber auch hier war nicht die Kost, sondern ein Irrtum schuld: der Bub aß das Stanniol, das die Wichse vor dem Ranzigwerden schützte, mit, und die Operation verlief im übrigen erfolgreich.

Nach F 5 geht es über Stufen, obwohl auch dieses Planquadrat ganz oben am Hügel liegt. Die Stufen führen unter die Erde. Die Vergnügung besteht in einem Mineralienkabinett, an dem aber nur wenige Leute Interesse haben. Die Attraktion sind versteinte Kindchen, mit Lehmköpfchen, denen man noch alle Lebensfunktionen zusprechen würde. Mädchen nehmen sich gelegentlich so ein Steinkindchen mit nach Haus, stellen es aufs Regal oder bitten den Bruder, ihm ein Bettchen zu basteln. Die Steinkindchen auf F 5 nehmen trotzdem nicht ab, denn andere Mädchen kommen und bringen verstohlen ein Kindchen und senken es rasch in den Steinteig, der in einem großen Steinbottich aus erratischem Material unter einem unauffälligen Steindeckel schwabbelt.

Die Eintrittstür nach F 4 ist ein Katapult, das den Besucher aus dem Mineralienkeller in ein Labyrinth befördert. Denn die Vergnügung von F 4 besteht im Verirren. Aus Erdgängen, nach oben verlängert mit Wällen, Hecken und Gneisplatten, ist ein Irrgarten gebaut, in dem Mädchen und Buben anfangs Entspannung, später Erschöpfung finden. Die Platten drehen sich, die Wälle und Hecken wandern. Wo ein Ausgang schien, ist plötzlich die Welt mit allerhand vernagelt, und in späteren Tagesstunden beginnt da manches Mädchen, aber auch mancher Bub leise zu weinen. Gegen Abend steigt kalter Lehmbrei in die Laufgräben, und wer da noch unterwegs ist, um den steht es schlimm. Ein kleines Eischen beging an der Ausgangstür Selbstmord, weil wohl sie, aber nicht mehr der kleine Bub, den sie in D 3 liebgewonnen hatte, abend aus F 4 herausgeriet.

Ein Rahmen, von dem Elschens Schädel hängt (von den Raben bald blankgezupft), ist die Eintrittstür nach F 3. F 3 umfaßt neben Hügelgebiet auch ein Eckchen angrenzenden Flachlands. Seine Vergnügung besteht hauptsächlich darin, dem Hügel mit seinen Vergnügungen sattgespielt und heil entronnen zu sein.  - (oko)

 

Vergnügen Hügel

 

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