erflüchtigung   Wie alle andern Dinge so verflüchtigt sich auch die Seele am Ende. Alle sind so salopp in dieser Welt, sie laufen nach allen Seiten, sie stiften eine große Verwirrung, die Männer und die Frauen, und keiner scheint sich um die Dinge zu kümmern, die verschwinden und sich verflüchtigen. Baldasseroni sagt, ich solle mich nicht darum kümmern, ich aber kümmere mich darum.

Hier handelt es sich darum, das Universum zu bewahren und etwas zu unternehmen, daß es nicht verschwindet, daß es sich nicht verflüchtigt wie alles übrige. Baldasseroni sagt, ich solle mir keine Sorgen machen, aber Baldasseroni ist nicht ernst zu nehmen.  - Luigi Malerba, Die Schlange. München 1992 (zuerst 1966)

Verflüchtigung ⁽²⁾  »Ihr hapet meyne Stimme vernommen, Frater Kapuzo. Es ist eine weipliche Stimm.«

»Effectivamente aliquod mulier habet.«

 »Da es nun bekannt ist, dasz die Weiper keyne Seel nicht hapen, kömmt mich so nah vor dem Endt der Zweyffel an, dasz sich auch meyne Seel könnt verflüchtiget hapen an jenem Tag, da der Hundt mir den Saftvogel und alles Drumrum hat abgebissen und gefressen, so dasz in der Folge meyne Natura sich eher der eines Weipes anglich als der eines Mannes.«

Der Frater verharrte betroffen vor diesem Zweyffel des Graffzogs. Er fuhr sich mit einer Handt obers Gesichte, dann öffnete er den Kragen, um Zeyth zu gewinnen. »Dubium semper salutare est.«

»Der Zweyffel mag ja wohl nützlich und heylsam seyn, doch hap ich Euch rufen lassen, um zu wissen und zu erfahren, ob den Gesetzen zufolge der allerheylichsten Religion, die Ihr hier vertrethet, zugleych mit dem Saftvogel, der die männliche Natura erweyset und bekräfftiget, auch meyne Seel entfleuchet sey. Findt ich mich itzo denn ohne Seel, gleych alswie jedtes gemeyne irdtische Weip? Was ist Eure Antworth, Frater Kapuzo, auf diese meyne Frag?«   l »Anima se devolat solum in casu mortis.« Augenblicklich fiengen Bellaughs Eyer an zu kochen.

»Ich bin noch keyneswegs todt!« » Ergo anima tua devolata non est!«  - Luigi Malerba, Pataffio. Berlin 1988