Vereidigung    Der dreißigjährige Kriegsgerichtsrat in Detmold, Christian Dietrich Grabbe, empfängt um elf Uhr eines Morgens in seinem Büro zwei ihm bekannte Offiziere, im bürgerlichen Beruf Juristen, zur Vereidigung. Das Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" hat er als Einundzwanzigjähriger geschrieben. Grabbe sitzt in einer rotgestreiften, baumwollenen Nachtjacke am Schreibtisch und in Unterhosen. Damit sie „Courage" kriegen, bietet er den Offizieren, bevor sie schwören, einen Schluck aus der Rumflasche an, die auf dem Schreibtisch steht. Die Herren, die mit dem Lippeschen Bataillon nach Luxemburg marschieren werden, weil es in Belgien zur Revolution gekommen ist, lehnen ab. Grabbe schneidet eine finstere Grimasse: „Nun, so wollen wir es kurz machen." Er geht ins Nebenzimmer, um sich anzuziehen. Kurz darauf kommt er zurück. Um den nackten Hals hatte er eine Krawatte geknüpft, über der gestreiften Nachtjacke trägt er einen schwarzen Frack und zu den weißen Unterhosen lange, schwarzseidene Strümpfe, Er stellt sich, in Pantoffeln, „in Positur" und liest die Kriegsartikel vor. Die Offiziere können das Lachen nicht mehr unterdrücken. Grabbe weist sie zurecht: „Lacht nicht! Das ist eine feierliche Handlung. Denkt an Gott! Ihr müßt nicht nach meinen Unterhosen sehen. Ich will mich anders stellen." Er stellte sich nicht anders, sondern er sinkt langsam in sich zusammen, bis der Fracksaum die Unterhosen bedeckt und mit dem Rand der schwarzen Strümpfe abschließt. Zusammengesunken liest er ihnen die Landesverordnung vor, verliert plötzlich die Geduld und sagt: „Ach, et is olle dumme Tuig . .. Was soll ich euch alles vorpredigen! Nun, nur schnell die Hand auf! Schwatzt nicht mehr! Ich gelobe und schwöre ... So, nun sind wir fertig! Nun müßt ihr aber erst trinken, eher kommt ihr nicht weg!"   - Nach: Ernst Kreuder, Die Gesellschaft vom Dachboden. Erzählungen, Essays, Selbstaussagen. Berlin 1990
 

Eid

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme