erdursten Der Westwind weht, der den Menschen in neunzehn Stunden ausdörrt. Noch ist mein Schlund offen, aber schon hart und schmerzhaft. Ein leises Rasseln kann ich auch schon vernehmen. Bald kommt der Husten, den man mir beschrieben hat und auf den ich schon lange warte. Meine Zunge ist mir im Wege. Das Schlimmste aber ist, daß ich leuchtende Flecken sehe. Wenn diese zu Flammen werden, stürze ich zusammen.
Wir gehen schnell, um die Kühle des jungen Tages auszunützen. Wir wissen wohl, daß wir in der hellen Sonne nachher nicht mehr weiterkönnen. In der hellen Sonne.. .
Wir dürfen nicht mehr schwitzen, wir dürfen keine Zeit verlieren. Denn selbst diese Kühle hat nur achtzehn Prozent Luftfeuchtigkeit; der Wind mit seiner verlogenen Liebkosung kommt aus der Wüste. Unser Blut verdunstet!
Ich fühle keinen Hunger, nur Durst. Dabei hatte ich so gut wie nichts zu
essen gehabt, am ersten Tage einige Trauben, seitdem eine halbe Apfelsine und
etwas Kuchen. Für mehr Nahrung hatten wirkeinen Speichel gehabt. Der Durst aber
ist allmächtig, eher noch die Folgen des Durstes: die harte Kehle, die Zunge
aus Gips, das Rasseln im Schlund und ein ekliger Geschmack im Munde. Das sind
mir neue Empfindungen, und zunächst bringeich sie in keine Verbindung mit dem
Wasser, das sie heilen könnte. Der Durst wird immermehr zu einer Krankheit,
und immer weniger ist er ein natürliches Verlangen. Schon will es mir scheinen,
daß der Gedanke an Früchte und Quellen weniger herzzerreißend ist. Ich habe
schon fast vergessen, wie freundlich die Apfelsine leuchtete. Ich habe alle
Sehnsucht vergessen. Ich vergesse vielleicht alles.
- Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne.
Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)
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