erdünnung  MATHEMATISCHE PHYSIOLOGIE. Die Lebenfunction beschreibt in ihren verschiednen Perioden eine regelmäßige Kurve  - beynah eine Figur, wie die Schwingungscontoure einer Sayte. Sie ist in sthenischer Tendenz bis zu den Mitteljahren - da sie  hingegen von diesen gegen das Alter zu in asthenischer Tendenz ist. Die locale, temporelle und individuelle Summe äußrer Reitze und die Oeconomie damit - ihre Vertheilung bestimmt die Länge des Lebens. Koncentrirtes, und verdünntes Leben. Das verdünnteste Leben ist das längste Leben. Die langen Lebensjahre der Patriarchen sind daraus a priori zu erweisen. - (bro)

Verdünnung (2)  Um die berühmten Verdünnungen zu bekommen, beginnt man mit der Mutter-Tinktur, das heißt mit der ersten Verdünnung eines Grammes der auserwählten Substanz in hundert Tropfen Alkohol. Dann verdünnt man einen Tropfen der Mutter-Tinktur in weiteren hundert Tropfen Alkohol und man bekommt die erste Hunderter-Verdünnung. Von der in dieser Weise hergestellten Verdünnung nimmt man einen Tropfen (mit einem normalen Tropfenzähler, den man in jeder Apotheke kaufen kann), verdünnt ihn mit weiteren hundert Tropfen Alkohol und gewinnt die zweite Hunderter-Verdünnung.  Bei der neunten Hunderter-Verdünnung haben wir folgendes numerisches Verhältnis: eins zu eins gefolgt von achtzehn Nullen, was eine hyperbolische Zahl ist. Ein Tropfen der auserwählten Substanz (Mutter-Tinktur) ist an diesem Punkt eine Million von milliardenmal um sein Volumen verdünnt. Man kann fortfahren, aber die Spuren der auserwählten Substanz sind praktisch verschwunden. Die Energie bleibt. Bevor man jeder neuen Verdünnung einen Tropfen entnimmt, muß man den Behälter heftig schütteln. Diese Handlung nennt man Sukkussion. Die Wirkung der Sukkussion ist die Dynamisierung, das heißt, die Energie bleibt, während die Materie verschwindet. Diese Prozedur habe ich nicht erfunden; sie wurde gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts von Samuel Hahnemann erfunden. Mit diesem System erweckt man die Energie aus dem Nichts, das heißt aus der Antimaterie. Die Substanz der Mutter-Tinktur ist eine persönliche Sache, jeder kann sie nach seinen eigenen Bedürfnissen oder seinen eigenen Wünschen wählen.  - Luigi Malerba, Die Schlange. München 1992 (zuerst 1966)

Verdünnung (3)  Wer die Toten für schwerhörig hält, vermutet den Tod als eine Explosion, welche die Verstorbenen taub machen kann, sodaß das Sprechen mit ihnen nicht nur äußerst schwer, sondern sogar von lächerlicher, zweideutiger und farcenhafter Schwierigkeit ist. Wir glauben, daß der Tod wohl explosive Feuertür zum Empyrium sei, aber nicht außerhalb des Versterbenden, sondern in seinem Inneren. Sodaß dieser, im Sterben, sich unglaublich ausdehnt und folglich auflöst und verdünnt. In diesem Fall läge die wahre Schwierigkeit darin, daß die Toten übertriebene Dimensionen haben, dünn und gasartig, ausladend wie Kontinente, Planetoiden und Planeten. Und auf gewisse, damit verbundene Probleme soll hier gar nicht eingegangen werden: etwa ob eine derartige Rarefikation die gleichzeitige Gegenwart mehrerer Toten im selben Raum zuläßt, die mit aufmerksamer Auswahl auszumachen seien; oder ob hingegen die Luftähnlichkeit der Verstorbenen sie dazu zwingt, sich von einander in großem Abstand zu halten, aufdaß sie freizügig herumschlittern und gummihaft von Ort zu Ort springen können.   - Giorgio Manganelli, Diskurs über die Schwierigkeit, mit den Toten zu sprechen. In: G. M., An künftige Götter. Sechs Geschichten. Berlin 1983 (zuerst 1972)
 

 

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