erderbtheit   In einer Aufzählung von Begriffsbestimmungen, die sich in der authentischen Übersetzung Platons befindet, einer Aufzählung, die man ihm zuschreibt, liest man folgendes: "Natürliche Verderbtheit: eine Verderbtheit, die der Natur entspricht", eine Definition, die, obwohl sie nach Calvinismus schmeckt, keineswegs Calvins Dogma auf die ganze Menschheit anwendet. Augenscheinlich ist sie nach ihrer Absicht nur für einzelne Individuen gültig. Galgen und Gefängnisse liefern uns nur wenige Beispiele für diese Verderbtheit. Nach bedeutenden Vertretern muß man, da diese frei von gewöhnlicher Roheit und ohne Ausnahme intelligent sind, in jedem Falle andernorts suchen. Gute Erziehung, besonders von der strengeren Art, begünstigt sie, die sich gerne in den Mantel der Ehrbarkeit hüllt. Sie hat ihre gewissen negativen Tugenden, die ihr im geheimen zum Vorteil dienen. Um auf der Hut zu bleiben, lehnt sie den Wein ab. Mit der Behauptung, sie sei frei von Lastern und kleinen Sünden, geht man nicht zu weit. Sie ist von einem höchst bemerkenswerten Stolz besessen, der ihr alles verbietet, was nach Käuflichkeit oder Geiz aussieht. Kurz, die Verderbtheit, von der hier die Rede ist, ist weit entfernt von Gemeinheit oder Sinnlichkeit. Sie ist ernst, aber nicht bitter. Sie schmeichelt keinem Menschen, redet aber auch von niemandem schlecht.

Aber das, was in besonderen Fällen so ungewöhnliche Naturen kennzeichnet, ist folgendes: Ein solcher Mensch pflegt durch sein ausgeglichenes Wesen und sein besonnenes Auftreten in besonderem Maße einen dem Gesetz der Vernunft unterworfenen Sinn erkennen zu lassen. Nichtsdestoweniger lehnt er sich in seinem Herzen in vollständiger Freiheit gegen dieses Gesetz auf und hat offenbar nur so weit Beziehungen zur Vernunft, wie er sich ihrer als eines allerseits brauchbaren Hilfsmittels bedient, das Unvernünftige zu tun. Das heißt: Um ein Ziel zu erreichen, das in der Zügellosigkeit seiner Bosheit an Irrsinn grenzt, wird er kühle, scharf sinnige und gründliche Überlegungen anstellen.

Diese Menschen sind Geisteskranke, und zwar von der allergefährlichsten Art, denn ihre Verrücktheit ist kein Dauerzustand, sondern bricht angesichts eines bestimmten Objekts plötzlich aus. Sie ist vorsichtig und zurückhaltend, so daß sie sogar dann, wenn sie in höchstem Maße tätig ist, sich für den Durchschnittsmenschen von einem normalen Geisteszustand nicht unterscheiden läßt. Aus dem oben erwähnten Grunde sind die Methode und das äußerliche Vorgehen, welcherart ihre Ziele auch sein mögen — und das Ziel liegt niemals klar zutage —, stets vollkommen vernünftig.

Ein solcher Charakter war Claggart. In ihm lebte der Wahnsinn einer bösartigen Natur, der nicht das Ergebnis einer lasterhaften Erziehung, schlechter Bücher oder eines ausschweifenden Lebens war, sondern in ihm entstanden und ihm angeboren war, kurz »eine Verderbtheit, die der Natur entspricht«. - Herman Melville, Billy Budd, Vortoppmann

Verderbtheit (2) In jener Zeit wird ein unreines Weib einen unreinen Sohn empfangen, weil die alte Schlange, die einst Adam verschlang, diesen mit ihrer ganzen Schar so anhauchen wird, daß nichts Gutes in ihn eintreten und in ihm sein kann. An verborgenen und verschiedenen Orten wird er aufgezogen werden, so daß ihn die Menschen nicht erkennen können, in allen Teufelskünsten wird er unterwiesen werden, und bis er zur Vollreife seines Alters kommt, wird er verborgen bleiben, und auch die Verdorbenheit, die in ihm ist, wird nicht eher offenbar werden, als bis er erkennt, daß er aller Bosheit übervoll ist.

Vom Anbeginne seiner Geburt werden viele Streitigkeiten und was der rechten Ordnung zuwider ist aufwallen, und die glühende Gerechtigkeit wird in ihrer Reinheit verdunkelt werden und die Liebe unter den Menschen erlöschen. Darin wird sich Bitterkeit und Herbheit erheben, und solche Ketzereien werden sich einstellen, daß die Häretiker offen und sonder Zweifel ihre Irrlehren predigen. Unter den Christen aber wird solcher Zweifel und Unsicherheit im katholischen Glauben herrschen, daß die Menschen gar nicht mehr wissen, wen sie als Gott anrufen sollen. Außerdem werden zahllose Zeichen in der Sonne, im Monde, in den Sternen, Gewässern, in den übrigen Elementen und Geschöpfen erscheinen, daß sie gleichsam in einem Gemälde durch ihre Wunderzeichen die kommenden Übel vorher verkünden.

Daher wird die Menschen in jener Zeit solche Traurigkeit befallen, daß sie den Tod für nichts achten. Wer aber dann im katholischen Glauben vollkommen ist, wird in großer Zerknirschung erwarten, was Gott anordnen wird. Und diese Trübsal wird also vorwärts schreiten, bis der Sohn des Verderbens seinen Mund zu verkehrter Lehre öffnet.

Wenn er dann die Worte der Falschheit und seiner Täuschungen vorbringt, werden Himmel und Erde erschauern und die Halskette der Gerechtigkeit... wird da zuerst von Sturmesbrausen erfaßt und bewegt werden; bis zu dieser Zeit war sie unerschüttert und unzerrissen geblieben. Paulus hat nämlich seine Lehre durch so viele Wunder erhärtet und sie mit tiefgründigen Worten so ehrenvoll geschmückt, daß sie bis zum Ende der Welt dauernd so bleibt, wie das die Kette, die bis zu den Füßen der Gerechtigkeit herniederfällt, zeigt. - (bin)

Verderben Schlechtigkeit
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