erbindung   Es mag zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts Freundschaft, frei von aller Niedrigkeit, bestehen. Und doch sieht eine Frau einen Mann stets als einen Mann an; und umgekehrt ein Mann eine Frau als eine Frau. Eine solche Verbindung ist nicht Leidenschaft noch wahre Freundschaft: sie ist etwas für sich. - (bru)

Verbindung (2) »Bester Herr Octave«, sagte der Arzt, »Ihr Zustand ist bedenklicher, als Sie ahnen, und die Wissenschaft, zum wenigsten die in Europa althergebrachte, vermag ihm nicht beizukommen; Sie haben keinen Willen mehr zum Leben, und Ihre Seele löst sich unmerklich mehr und mehr vom Körper; Sie sind weder ein Hypochonder noch ein Irrsinniger, noch neigen Sie zum Selbstmord ausTrübsinn. — Nein! seltener und eigenartiger Fall, Sie könnten, setzte ich mich dem nicht entgegen, zugrunde gehen ohne irgend ersichtliches äußeres oder inneres Verletztsein. Es war hohe Zeit, mich zu rufen, denn die Verbindung zwischen Geist und Körper ist nur noch fadenschwach, wir werden schon einen haltbaren Knoten hineinschürzen.« Und vergnügt rieb sich der Doktor die Hände, fratzenhartes Lächeln verzog die zahllosen Falten seines Antlitzes.

»Herr Cherbonneau, ob Sie mich heilen können, weiß ich nicht, und überdies, ich wünsche es mir kaum, aber anerkennen muß ich, daß Sie auf den ersten Blick die Ursache meines geheimnisvollen Zustandes erkannten. Mir ist, als sei mein Körper durchlässig und ließe mein Ich entschlüpfen, wie ein Sieb Wasser durch sein Netz tropfen läßt. Ich fühle mich im All verschwimmen und habe Mühe, mich gesondert zu empfinden von den mich umspülenden Wellen. Das Leben, dessen Gewohnheitspantomime ich mich einfüge, so gut es gelingen will, um meine Eltern und Freunde nicht zu betrüben, ist so weit ab von mir, daß es Zeiten gibt, in denen ich mir schon abgeschieden vorkomme von der irdischen Ebene: ich rege mich nach früher mir gewohnter Gesetzlichkeit, die sich mechanisch noch auswirkt, doch ohne wirkliche Anteilnahme. Ich speise zur gewohnten Stunde, es hat den Anschein, als äße und tränke ich, doch die schmackhaftesten Gerichte, die stärksten Weine erscheinen mir schal: den Sonnenglanz sehe ich blaß wie Mondenschein, die Kerzen tragen dunkle Flammen. Am heißesten Sommertag fröstelt es mich; zuweilen entsteht in meinem Innern eine große Stille; als hätte mein Herz zu schlagen aufgehört und das Uhrwerk sei aus unbekannten Gründen abgelaufen. Der Tod kann nicht viel anders sein als dieser Zustand, wenn Toten Empfindung noch bleibt.«

»Sie leiden«, begann der Doktor wieder, »an chronischem Nicht-Leben-Können, einer rein geistigen Krankheit, die häufiger vorkommt, als man annimmt. Der Gedanke ist kraftbegabt und kann todbringend sein wie Blausäure, wie elektrischer Strom, wenn auch Spuren eines Zerstörungswerkes mit den beschränkten Mitteln landläufiger wissenschaftlicher Analyse nicht aufzudecken sind. Wie nennt der Gram sich, dessen Hakenschnabel in Ihrem Innern wütet? Von welchen Höhen heimlicher Erhebung sind Sie zerschmettert und zerschlagen abgestürzt? Welch bittere Verzweiflung lahmt Ihre Bewegung? Quält Sie Begier nach Macht? Entsagten Sie aus freien Stücken einem Ziel, das zu erreichen über menschliches Vermögen ging? — Dafür sind Sie recht jung noch. — Hat Sie ein Weib verraten?« — »Nein, Doktor«, gab Octave zur Antwort, »nicht einmal dies ist mir geschehen.«  - Théophile Gautier, Avatar. Frankfurt am Main 1985 (st 1161, zuerst 1856)

Verbindung (3)  Ich lebe so dahin. Von 9-16 h. prüfe ich Versorgungsgutachten, keine unangenehme Tätigkeit, vorwiegend ärztlicher Art u beaufsichtigenden Charakters, reine Theorie, keine eigenen Untersuchungen. Mein Bürozimmer ist kühl u. sauber, hat fliessendes Wasser, ich kann mir häufig die Hände waschen, - eine Liebhaberei von mir. Ich wäre froh, wenn es eine Weile noch so bliebe, aber sehr gesichert fühle ich mich nicht. Es kann ja jeden Moment wieder losgehn mit der Hetze und dem Dreck. Es wird ja immer schlimmer, ich hörte einiges Neues in dieser Richtung, das man nicht schreiben kann.

Um 16 h. gehe ich dann nach Hause. Spreche für den Rest des Tages nur mit meiner Frau. Vermeide jede Bekanntschaft, jedes Gespräch, jeden Besuch. Meine Frau ist zart, verfeinert, sehr degeneriert, immer müde, was mir sehr angenehm ist. Um 8 Uhr ist sie zum Schlafen fertig. Sie weiss nicht viel, ist "ungebildet", niemand kümmerte sich um ihre Erziehung, Vater starb früh, Mutter wieder verheiratet, - Arbeit, fremde Häuser u. Verwandte.

Ich freue mich sehr, ihr im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten ein ruhiges eigenes Leben geben zu können. Sie verbindet mich als Letztes mit menschlichen Dingen u. Verhältnissen, seit meine Tochter in jeder Richtung so weit fort ist, ohne mich sehr zu stören oder zu leidenschaftlichen Empfindungen zu bringen. Sie vergilt es dadurch, dass sie mir eigentlich in keiner Lage missfällt, auch wenn sie nicht weiss, was eine Amphore ist, ja nicht einmal, ob Napoleon vor Friedrich dem Grossen lebte. Die Frauen! Meine grösste Leidenschaft war eine Ausländerin gewesen, die nie den Namen Nietzsche gehört hatte. Eine andere, mit der ich ein par Jahre verbrachte, sagte oft: „so was wie Dich finde ich alle Tage", dann verschwand sie eines Tages nach Wien u. nach 3 Monaten eines Nachmittags tauchte sie wieder auf mit einer Salami u. einem Blumenstrauss u es sollte wieder weitergehn. 3 Monate später nahm sie sich das Leben. Von meinen Freundschaften endeten zwei durch Erschossenwerden (eine von einem eifersüchtigen Freund, eine aus politischen Gründen kürzlich in Russland), vier durch Selbstmord, zwei weitere sehr nahe Beziehungen starben so. Diese meine 31 jährige Frau nun umgebe ich mit der ganzen Sorgfalt u. Vorsicht meines so häufig von Gefahren und Zusammenbrüchen etwas ermüdeten und wunschlos gewordenen Lebens, in der meine menschliche Hinterlassenschaft etwas weiter getragen werden soll, wenn der angebliche mort douce mich mit seinen Mohnstengeln betäubte.

Ich möchte übrigens dies Kapitel nicht enden, ohne hinzuzufügen, dass meine erste Frau eine ganz charmante elegante Dame von Welt war, viel gereist, mir weit überlegen, 8 Jahre älter als ich, sehr wohlhabend, aus einer Dresdener Patrizierfamilie, 2 Onkel, Brüder ihres Vaters, aktive Generäle, einer Excellenz u. sächsischer Ministerpräsident, königlicher. Meine Tochter hat von ihr sehr viel Intelligenz u. Ladylikes geerbt. Sie starb an den Folgen einer Gallensteinoperation, in Jena, 1922.  - Gottfried Benn an F.W. Oelze, 29.6. 1938

Verbindung (4)  Hinter dem nichtssagenden französischen Titel   Des tueurs pas comme les autres von Ken Greenhall  verbirgt sich eine dieser perversen und völlig paranoiden Geschichten, die die Série noire uns gelegentlich bietet. Man denkt an den berühmten Londres-Express, an die beiden Romane von Stephen Geller (Où grincent les chimères und Crocs rouges, und natürlich wieder an Jim Thompson. (Über den müßten wir uns auch eingehend unterhalten). Hier geht es um die mehr oder weniger glückliche Verbindung zwischen einem furchtbaren Killerhund (mit innerem Monolog des Hundes, wegen der Ausgewogenheit) und einem geistig völlig abgedrehten Jungen, der sich über den Photos von Eva Braun einen runterholt. Die Charaktere sind alle blöd und seelisch gestört, das ganze Buch schwimmt in einem Gestank nach Hund und schmutzigen Unterhosen, und es kann passieren, daß bei der Lektüre eine leichte Übelkeit aufkommt oder zumindest das Bedürfnis, das Fenster zu öffnen. Seid gewarnt.  -  Jean-Patrick Manchette, Chroniques. Essays zum Roman noir. Heilbronn 2005 (DistelLiteraturVerlag, zuerst 1996)

Verbindung (5) Von nun an ging ich jeden Vormittag, bisweilen morgens und nachmittags. Der Aufsichtsbeamte in den Aquarien lächelte betreten, wenn er die Eintrittskarte entgegennahm. Ich stützte mich auf die eiserne Stange, die die Aquarien einfaßt, und widmete mich ihrer Betrachtung. Daran ist nichts Besonderes, denn ich hatte vom ersten Augenblick an begriffen, daß wir miteinander in Verbindung standen, daß etwas wenn auch grenzenlos Verlorenes und Fernes uns offenbar vereinte. Ich hatte an jenem ersten Morgen nur vor der Scheibe zu stehen brauchen, wo einige Blasen im Wasser aufstiegen. Die Axolotl drängten sich auf dem schäbigen und engen Boden (nur ich kann wissen, wie schäbig und eng) aus Stein und Moos des Aquariums. Es waren neun Exemplare, und die meisten drückten den Kopf an die Scheibe und betrachteten mit ihren Goldaugen alle, die sich näherten. - Julio Cortázar, Axolotl. In: J.C., Die Nacht auf dem Rücken. Frankfurt am Main  1998 (Erzählungen Bd. 1)

Verbindung (6)  Es war der Morgen des 2. April 1922, und die Maschinen litten wie Wöchnerinnen. Nur der Mann, der sich wie eine Schildkröte flach zu Boden geworfen hatte, reckte den Kopf der Vulva entgegen, die er in einiger Entfernung erblickte, doch auf jede Bewegung, die er machte, um vorwärtszukriechen, reagierte die Vulva mit einer Rückwärtsbewegung.

Eine zufällig zwischen ihnen hindurchfliegende Krickente verstand ihre Erregung und willigte ein, sich ganz lang zu machen, um eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen. Die Schnabelspitze auf die Vulva drückend, einen Fuß auf dem Kopf des Mannes, drehte sie sich.

Der Mann mit dem Schildpattnabel sah sie, und laut auflachend sagte er zu ihnen:

„Ihr seid ganz schön gestraft, ihr Ärmsten." - Benjamin Péret, Das Wirtshaus zum Fliegenden Arsch. Aus (per)

Verbindung (7)  Sollte wohl die Vernunft, oder vielleicht besser der Verstand, wenn er auf Endursachen gerat, besser daran sein als wenn er auf ein Diktat des Herzens gerät? Es ist ja noch eine große Frage, wodurch wir am stärksten mit der uns umgebenden Welt verbunden sind, von seiten des Herzens oder der Vernunft.    - (licht)


Zusammenhang

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Verwandte Begriffe

Synonyme
Verbundenheit