Vater, stolzer   Eines Tages hörte Nektanebos, der sich heimlich im Palast aufhielt, wie Philipp Olympias vorwarf, sie habe ihn hintergangen und nicht mit einem Gott, sondern mit einem Menschen verkehrt.

Als darauf ein Festmahl stattfand, verwandelte sich Nektanebos in eine große Schlange und bewegte sich mit furchtbarem Zischen mitten durch den Speisesaal, so daß alle Gäste erschraken und zitterten. Olympias aber streckte ihre Hand nach ihm aus, und die Schlange schmiegte sich an sie und küßte sie mit der zwiegespaltenen Zunge. Während Philipp zwischen Furcht und Verwunderung zuschaute, verwandelte sich Nektanebos in einen Adler und flog davon. Philipp aber sprach: »Weib, ich habe nun gesehen, wie dir der Gott in der Gefahr geholfen hat.« Und seitdem pries er sich glücklich, daß er Vater eines Gottessohnes heißen sollte.

Nach einigen Tagen, als Philipp auf einem Platz neben einem Teich im Park seines Palastes saß, flog eine Henne auf seinen Schoß und legte darein ein Ei; es kollerte aber zur Erde und zerbrach. Da schlüpfte aus der Schale eine kleine Schlange heraus, umkreiste das Ei und wollte dann wieder hineinkriechen; aber ehe sie den Kopf hineingesteckt hatte, starb sie. Bestürzt ließ Philipp den berühmten Zeichendeuter Antiphon rufen und erzählte ihm, was geschehen war. Dieser sprach: »König Philipp, du wirst einen Sohn haben, und er wird König werden und wird die ganze Welt umkreisen und alle Menschen bezwingen; wenn er sich aber heimwärts wendet, wird er draußen einen frühen Tod sterben. Denn die Schlange ist das Zeichen des Königtums und das Ei die ganze Welt.«

Als nun die Zeit der Geburt gekommen war, setzte sich Olympias auf das Bett für Gebärende, und die Wehen quälten sie. Nektanebos stand bei ihr und beobachtete die Gestirne ... Als er sah, daß Zeus und der Widder Ammon in Kulmination standen und ein Glanz am Himmel war von der Mittagssonne, sprach er: »Jetzt wirst du einen Weltherrscher gebären.« Olympias gebar mit lautem Schrei einen männlichen Knaben, und als er zu Boden fiel, da entstand ein mächtiges Erdbeben, Donner und Blitz, so daß der ganze Erdkreis erbebte.

Und als Philippus solches gesehen hatte, sprach er: »Ich habe mir überlegt, daß du, o Frau, ihn nicht aufziehen sollst, weil er nicht mein Kind ist. Vielmehr ist er, da die Elemente derartige Wunderzeichen über ihn gaben, ein Sproß der Götter. So sollen ihn die Götter aufziehen. Sein Name aber soll Alexander heißen.«  - Altägyptische Märchen. Hg. und Übs. E. Brunner-Traut. Düsseldorf Köln 1965 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Vater

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