ariation   Plötzlich meinte ich einen Anachronismus zu erleben, ich fühlte mich in die irdischen Epochen zurückversetzt, als die großen Religionen entstanden. Ich erinnerte mich an den Rabbi Jesus. Auch der Rabbi Jesus hatte geredet, gegessen und geredet, während man ihm andächtig zuhörte und ihn anzubeten schien.

Ich mußte denken: ›Und wenn dieser hier auch Jesus wäre? Sie ist nicht neu, die Hypothese, daß der Sohn Gottes sehr wohl auf den Planeten umherwandeln könnte, um alle Bewohner des Universums zu bekehren. Warum auch sollte er sich ausschließlich der Erde widmen? Wir befinden uns nicht mehr in der geozentrischen Ära; gestehen wir ihm also das Recht zu, seine schwere Aufgabe allüberall zu erfüllen.‹

Illi fuhr fort, seine Tischgenossen zu belehren. Mehr und mehr verstärkte sich meine Vermutung, daß dieser Pharenser Jesus war. ›Was für eine ungeheure Aufgabe<, dachte ich. ›Und monoton noch dazu. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Wesen überall gleich reagieren. Würde man ihn auch auf dem Mars, auf Jupiter, auf Pluto kreuzigen.. .?‹

Als ein Mensch vom Planeten Erde spürte ich, wie, zurückblickend, Scham in mir aufstieg. Der Kalvarienberg stigmatisierte uns Erdenbewohner, aber dieses Stigma definierte uns auch. Wir waren wahrscheinlich die einzigen, die zu einer solchen Schandtat fähig waren. Gottes Sohn an ein Holz nageln...!

Völlig verblüfft sah ich, wie die Pharenser die Beweise ihrer Liebe verstärkten; knieend (ich werde nicht versuchen, den Anblick, den sie boten, zu beschreiben) beteten sie den Meister an. Plötzlich schien Illi alle seine Beine gleichzeitig zu heben (und die Pharenser haben derer siebzehn). Er krümmte sich in der Luft und fiel plötzlich wieder auf die Spitze der Pyramide (den Tisch). Augenblicks wurde er schwarz und stumm. Auf meine Frage sagte man mir, daß er tot sei. Offenbar hatte man ihm Gift ins Essen getan.   - Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main 1998