Vampirgeburt  Sie schrie nicht, denn ihr war klar, daß das nichts nützen würde. Aber Duggu Vans Gesicht gab auch nicht gerade Anlaß zu lächeln. Dessen krustige erdfarbene Haut war gleichmäßig violett angelaufen. An Stelle der Augen schlingerten zwei große larmo-yante Fragezeichen unter dem verfilzten Haar.

»Es ist ganz und gar meins«, sagte der Vampir in der bizarren Sprache seiner Sekte, »und niemand kann sich zwischen sein Sein und meine Liebe drängen.«

Er sprach von dem Kind; Miss Wilkinson beruhigte sich.

Die Ärzte, an einer Ecke des Ruhebetts versammelt, versuchten sich gegenseitig zu beweisen, daß sie keine Angst hatten. Sie mußten zugeben, daß sich Lady Vandas Körper veränderte: ihre Haut war plötzlich dunkel geworden, an ihren Beinen traten deutlich Muskeln hervor, ihr Bauch nahm allmählich ab, und mit einer fast vertraut anmutenden Natürlichkeit verwandelte sich ihr Geschlecht ins Gegenteil. Das Gesicht war schon nicht mehr das von Lady Vanda. (Die Hände auch nicht.) Die Ärzte hatten fürchterliche Angst.

Dann, als es zwölf schlug, richtete sich der Körper, der Lady Vanda gewesen und jetzt ihr Sohn war, im Bett langsam auf und streckte zur offenen Tür hin die Arme aus.

Duggu Van betrat das Gemach, ging an den Ärzten vorbei, ohne sie zu beachten, und ergriff die Hände seines Sohnes.

Die zwei blickten einander an, als kennten sie sich seit eh und je, und entschwanden durch das Fenster.   - Julio Cortazar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main 1998

 

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