Vagabunden, chinesische  Sie waren gesellige Menschen mit besonderen Vorstellungen über allerhand Dinge, mit großer Lebenskenntnis, in vielen Dingen überlegen dem Durchschnitt ihrer Volksgenossen. Es gab kaum fünf unter ihnen, die sich nicht verjagt und getreten vorkamen und den Eindruck hatten, ein unfreies, gezwungenes Leben zu führen.

Manche waren die Opfer eines starken Triebes geworden, den sie nicht beherrschen konnten, auch nicht beherrschen wollten, die alle Schlauheit in sich aufboten und schärften, um diesem Triebe zu dienen, mit dem sie sich gleichsetzten. Einige Opiumraucher, Spieler von feinerem Gcsichtsschnitt, ältere Leute. Nicht wenige, die ein Gewerbe trieben, ab und zu betrogen, entdeckt und bestraft wurden, nun sich schikaniert von den Polizisten fühlten, Schabernack auf Schabernack, Gehässigkeit auf Gehässigkeit folgen ließen, die Grenzen überschritten und im Grunde froh waren, mit einem Schlage vogelfrei zu werden, der brütenden Gesetzlichkeit entflohen. Dies waren die Glücklichen, die wenig Bitterkeit in ihrer Freiheit fühlten.

Am schlimmsten waren die Hitzköpfe, die Rachsüchtigen, die Zügellosen dran. Sie hatten sich, meistens jung, wegen eines Ehrgeizes, einer Verliebtheit, einer Eifersucht zu einem verhängnisvollen Schritt reißen lassen, standen außerhalb ihrer Familie, Sippschaft, Heimat, in deren Rahmen ihre Triebe wie ihr Verbrechen sinnvoll wurden, gingen mit bösen Bücken herum, verfluchten sich, kauten an dem unzerreißbaren Gummi ihrer Leiden. Ihnen nützte nichts; sie waren zu allem fähig; man durfte sie nicht anrühren. Sie waren nicht mitteilsam, überall dabei, wo etwas vorging und geplant wurde, machten ihrer Grausamkeit Luft, wo sie konnten, wurden von den Kameraden scharf beobachtet.

Dann kamen viele, die warteten, die sich angeschlossen hatten, nur um irgendwo in den achtzehn Provinzen zu hausen. Das waren die entlassenen Soldaten, die noch ihre zerrissenen blauen Kittel trugen und auf neue Anwerbung hofften. Krüppel, die aus kleinen Ortschaften stammten, wo man sie nicht ernähren konnte, und die nun die Wallfahrtswege belagerten. Tüchtige ernste Menschen, die ihre Familien durch Überschwemmungen verloren hatten; solche, bei denen der Miß wachs auf den Ackern ein jährlicher Gast war; solche, die erst vorübergehend aus Scham in die fernen Berge zum Betteln liefen, dann schwer loskamen und keinen Ausweg sahen.    - Alfred Döblin, Die drei Sprünge des Wang-lun. München  (zuerst 1915)

 

Vagabund Chinese

 

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