Dahmen ohne Freyer. KLuge Sinnen / schöne Dahmen / Jhr so nur als Nonnen schlaffet / Eine Scheide sonder Messer / Land / so nimmer wird gepflüget / Schöne Geigen sonder Quinten / Eine Kugel sonder Kegel / Eine Wage sonder Schüssel / Ohne Artzeney ein Krancker / Eine Stube sonder Ofen / Hübsche Gärtten quit von Rosen
/ Weitzen Garben sonder Körner / Diese Dinge muß man schmücken / |
- Ernst Christoph Homburg (Lyrik des Barock
I, Hg. Marian Szyrocki. rk 538, Reinbek bei Hamburg 1971)
Unvollständigkeit (3) Ich sagte, wir hätten uns langsam und widerwillig den ausgebreitet daliegenden, unvollständigen Hindernissen genähert. Wollte der Himmel, wir hätten uns ihnen überhaupt nicht genähert, wären Hals über Kopf davongerannt aus diesem blas-phemischen Tunnel mit dem schmierig glatten Boden und den entarteten Reliefs, die jene anderen Darstellungen, deren Stelle sie eingenommen hatten, nachäfften und verhöhnten - davongerannt, bevor wir sahen, was wir schließlich sehen mußten, und bevor sich etwas in unsere Seelen brannte, daß uns nie mehr wird ruhig atmen lassen!
Beide Taschenlampen richteten wir auf die niedergestreckten Gestalten, und wir erkannten bald das beherrschende Merkmal ihrer Unvollständigkeit. Verstümmelt, gequetscht, verrenkt und zerrissen waren sie, doch die schlimmste, allen gemeinsame Verletzung war die totale Enthauptung. Von jedem dieser Wesen war der mit Tentakeln besetzte Seesternkopf abgetrennt worden; und als wir nähertraten, sahen wir, daß die Köpfe eher durch irgendein teuflisches Zerren oder Saugen abgerissen als auf normale Weise abgetrennt worden sein mußten. Ihr widerwärtiger dunkelgrüner Lebenssaft bildete eine große, sich ausbreitende Pfütze; doch der davon ausgehende Gestank wurde halb überschattet von dem neueren und noch seltsameren Gestank, der hier schärfer als an irgendeinem anderen Punkt unserer Route war. Erst als wir ganz nahe an die niedergestreckten Gestalten herangetreten waren, entdeckten wir die Quelle dieses zweiten unerklärlichen Pesthauches - und in diesem Moment stieß Danforth, der sich an gewisse besonders plastische Reliefs aus der Geschichte der Alten Wesen im permischen Zeitalter vor hundertfünf zig Millionen Jahren erinnerte, einen grauenhaft gequälten Schrei aus, der hysterisch durch jenen gewölbten, uralten Tunnel mit den unheilvollen Palimpsesten hallte.
Ich selbst konnte nur mit Mühe einen ähnlichen Aufschrei unterdrücken; denn
auch ich hatte diese urzeitlichen Reliefs gesehen und schaudernd die Art bewundert,
in welcher der namenlose Künstler jene grauenhafte Schleimschicht dargestellt
hatte, mit der bestimmte verstümmelt daliegende Alte
Wesen überzogen waren - jene nämlich, die in dem großen Unterwerfungskrieg
von den schrecklichen Schoggothen enthauptet worden waren. Es waren abscheuliche,
alptraumhafte Bilder gewesen, obgleich sie nur von längst vergangenen Dingen
erzählten; denn die Schoggothen und ihr Werk sollten nicht von menschlichen
Wesen erblickt noch von irgendwelchen anderen Wesen dargestellt werden. Der
verrückte Verfasser des Necronomicon hatte eindringlich zu beteuern versucht,
daß keiner von ihnen auf diesem Planeten erzeugt worden sei und nur unter dem
Einfluß von Drogen stehende Träumer sie je zu Gesicht bekommen hätten. Formloses
Protoplasma, fähig, alle Formen und Organe
und Vorgänge zu imitieren - bösartige Klumpen blubbernder Zellen - gummiartige,
fünfzehn Fuß große Sphäroide, unendlich plastisch und dehnbar - Sklaven hypnotischer
Befehle, Erbauer von Städten - immer mürrischer, immer intelligenter, immer
amphibischer und immer stärker der Nachahmung fähig! Großer Gott! Welcher Irrsinn
hatte selbst jene blasphemischen Alten Wesen dazu getrieben, sich solcher Dinge
zu bedienen, sie darzustellen? - H. P. Lovecraft, Berge des Wahnsinns.
Frankfurt am Main 1979
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