nverwundbarkeit  Herakles hatte den kleinen Aias unverwundbar gemacht, indem er ihn in seine Löwenhaut wickelte, nur in der Achselhöhle nicht, wo das Kind vom Fell unberührt blieb. Denn sehr verwundbar war Aias in seiner unbändigen Natur, die keine Grenzen, weder der Raublust noch der Großzügigkeit, kannte. Bei den Leichenspielen zu Achilleus' Ehren sollte es mit ihm zum äußersten kommen. Thetis setzte die Rüstung ihres Sohnes, die von Hephaistos verfertigt war, zum Ehrenpreis des Heros, der im Krieg um Troja die größten Verdienste hatte. Es war eine schwere Entscheidung, die zwischen Odysseus und Aias getroffen werden mußte. Als sie zuletzt, nach dem Willen der Pallas Athene, zugunsten des Schlauen und nicht des Starken fiel, tötete sich Aias im Wahnsinn. Er wurde ein unheimliches Beispiel dafür, wie die Götter eine Unbändigkeit bestrafen, die uns eher kindisch als sündhaft erscheint und die für keinen unter den Heroen so bezeichnend war wie für diesen Riesen mit der langen Lanze und dem turmhohen Schild. Er zürnte in der Unterwelt noch dem Odysseus und erwiderte seine versöhnlichen Worte nicht.  - (kere)

Unverwundbarkeit (2)  Um seiner Rolle zu entsprechen, braucht der Held Mut, und Sabaté hatte seinen Mut bewiesen. Ein Held muß aber auch schlau und scharfsinnig sein. Überdies braucht er Glück, oder - um es mythisch zu sagen - er muß unverwundbar sein. Wenn er Fallen sowohl bemerkt als auch zu umgehen vermag, dann hat er für jene Eigenschaften durchaus den Beweis erbracht. Ein Held braucht aber auch Siege, und dafür standen die Beweise noch aus. Sie würden aber außer durch Tötung von Polizisten nach rationalem Ermessen wohl kaum zu erbringen sein. Aber für die Armen, die Unterdrückten und Unwissenden, deren Horizont kaum bis zur Stadtgrenze reicht, sondern meistens nur bis zur Grenze ihres barrio, ist es schon Sieg genug, wenn es einem »Outlaw« überhaupt gelingt, trotz der konzentrierten Macht der Reichen und ihrer Schergen und Kerkermeister zu überleben. Daß Sabaté dazu fähig wäre, bezweifelte in Barcelona - einer Stadt, die mehr kompetente Richter zur Beurteilung von Rebellenqualitäten hervorbringt, als fast jede andere - keiner mehr; Sabaté selbst am allerwenigsten. - (hob)

Unverwundbarkeit (3)  Urkundlich belegte Geschichten vom Tod der Banditen lauten folgendermaßen: Oleksa Dovbus, der Karpatenbandit des 18. Jahrhunderts, wurde nicht von seiner Geliebten Erzika verraten, wie dies im Lied behauptet wird, sondern ein Bauer namens Stepan Dzvinka, dem er einst geholfen hatte, erschoß ihn hinterrücks. Verraten wurden Salvatore Giuliano, Angiolillo und Diego Corrientes. Wie anders konnten solche Männer sterben?

Waren sie nicht unsichtbar und unverwundbar? Von echten »Volksbanditen« nimmt man dies stets an, wodurch sie sich wahrscheinlich von anderen Desperados unterscheiden. In diesem Glauben spiegelt sich die Identifizierung der Banditen mit der Bauernschaft. Bis zur Unkenntlichkeit verkleidet oder im Gewand der unscheinbaren Einheimischen gehen diese Banditen durch das Land, und solange sie sich nicht von selbst offenbaren, bleiben sie von den Truppen der Obrigkeit unerkannt. Da sie keiner verrät und weil sie sich durch nichts von den einfachen Leuten unterscheiden, sind sie so gut wie unsichtbar. Dieser Beziehung geben die Anekdoten bloß symbolischen Ausdruck. Um ein einigermaßen komplexeres Phänomen scheint es sich bei ihrer Unverwundbarkeit zu handeln. Auch hier spiegelt sich bis zu einem gewissen Grade jene Sicherheit wider, die Banditen inmitten ihres eigenen Volkes und auf eigenem Boden genießen. Andrerseits drückt sich darin aber auch der Wunsch aus, daß man den Helden des Volkes nicht besiegen kann. Solche Wünsche sind es auch, welche die immerwährenden Mythen vom guten König - und vom guten Banditen - schaffen, an dessen Tod man nicht glaubt, sondern man nimmt an, er würde eines Tages wiederkommen und dann von neuem die Gerechtigkeit herstellen. Die Weigerung, an den Tod des Banditen zu glauben, ist ein Kriterium für seinen Adel. Sergente Romano wurde demnach nicht wirklich getötet, man kann ihn noch immer einsam und geheimnisvoll die Landschaft durchstreifen sehen; Pernales - einer von mehreren Banditen Andalusiens, von denen man solche Geschichten erzählt - ist »eigentlich« nach Mexiko entkommen, und Jesse James hat sich nach Kalifornien retten können. Denn die Niederlage und der Tod eines Banditen bedeuten die Niederlage seines Volkes, und was noch ärger ist, auch das Ende der Hoffnung. Die Menschen vermögen es, ohne Gerechtigkeit zu leben, und im allgemeinen werden sie dazu gezwungen, doch können sie nicht ohne Hoffnung leben.
Die Unverwundbarkeit der Banditen ist aber nicht allein symbolisch zu verstehen. Beinahe immer ist sie auf eine Magie zurückzuführen, die das Wohlwollen der göttlichen Wesen widerspiegelt, welche sich für die Angelegenheiten des Banditen interessieren. Die Banditen Süditaliens trugen Amulette, die von Papst oder König geweiht worden waren, und sie wähnten, unter dem Schutz der Heiligen Jungfrau zu stehen.  - (hob)

Unverwundbarkeit (4)   In seinem Herzen fand Pater Jacopo wohl heraus, daß die beispiellose Einsamkeit dieser Frau und ihr ebenso beispielloser Hochmut ein und dieselbe Todsünde waren. Lange grübelte er darüber nach, auf welche Weise er den Kampf mit ihr aufnehmen könne, und schalt sich selbst einen unwürdigen Priester, weil er keine Antwort zu finden vermochte. Er fastete und wachte in der Hoffnung, dadurch seine weiche Natur zu stärken und die richtige geistige Waffe für die Kraftprobe zu finden. Hungrig und erschöpft auf dem steinernen Fußboden kniend, kämpfte er seinen. Kampf um die Frau, die sich zur gleichen Stunde an Leckerbissen und reichlichem Wein gütlich tat oder friedlich hinter den Seidenvorhängen ihres Himmelbetts des Schlummers pflog.

Einen Augenblick redete sich Pater Jacopo ein, die unfaßliche Einsamkeit Lady Floras sei vielleicht für sie ein Weg des Heils. Welche Einsiedlerin in der Wüste, welche Säulenheilige, gerühmt durch alle Zeiten, würde er aus ihr machen können! Doch wies er den Gedanken als gefährliche Versuchung wieder ab. Er war, fühlte er, gleichzeitig zu bequem und zu vermessen. Vor seinem geistigen Auge - denn er war ein Mann von höchst lebendiger Phantasie - sah er das Schottenweib oben auf ihrer Säule ragen, aufrecht, kolossal und stets schwindelfrei, eins mit dem Marmor, auf welchem sie stand. Von ihrer Höhe herab würde sie auf die Männer und Frauen zu Füßen der Säule blicken, neu bestärkt In ihrer Überzeugung von der Stecknadelgröße der Menschen, oder sie würde ruhig aufwärts schauen, mächtig bestätigt nun in ihrer Überzeugung, daß der Himmel leer sei. Entsetzlich wäre sie - die Eremitin mit dem heiteren, grimmigen Lächeln - droben auf ihrem Podest!

»Nein«, dachte Pater Jacopo, »auf den niederen, rauhen Wegen der Menschheit, auf den Straßen, Gassen und Landstraßen, auf denen Menschenfüße sich dahinschleppen - auf denen muß meine hochfahrende Lady zum Himmel wandeln.«

So entschloß er sich und sprach ihr zuerst von der Einheit alles Erschaffenen.

»Ich weiß«, sagte die Lady, »Ihr Evangelisten der Einheit verkündet zuerst, daß einer nicht für sich und er selbst sein soll. Das aber ist meine Unversehrbarkeit. Ich habe nicht geheiratet, ich habe keinen Liebhaber genommen, der Gedanke an Kinder stößt mich ab - alles nur, weil ich wünsche, in meiner Haut einzig und allein zu sein.«  - Tania Blixen, Widerhall. Letzte Erzählungen. München 1968

Held

 

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Verwandte Begriffe
UnzerstörbarkeitUnverletzbarkeit

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