nteroffizier Unter den Augen des Herrn ruht das Pfarrhaus in guter Hut. Dem Pfarrhaus gegenüber wohnt ein Mörder. Der ist der schönste Mann weit umher, der gesündeste, der stärkste. Der Herr Pfarrer grüßt ihn. Der Mörder hat großen Respekt vor dem Herrn Pfarrer. Der Herr Pfarrer hat großen Respekt vor dem Mörder. Wenn er getötet hat, so hat er aus Liebe den Geliebten seines Weibes getötet. Das verleiht ihm eine Würde, eine zusätzliche Macht. Auch er hat sein flammendes Opfer zelebriert.
Schon als kleiner Junge hatte er im Hof seines Vaters, des Kuttelhändlers, sich über den Blutbach gebeugt, der aus dem Abzugskanal des städtischen Schlachthofs troff. Das war eine Vorbestimmung. Der Herr Pfarrer versteht dieses Verbrechen sehr gut, wenn er es auch, aus mehreren Gründen, selber nicht begangen hätte. Clodomir trägt den Kopf wie ein König, er spricht wie ein Komödiant, und den Kindern des Viertels, die sein Opfer schreien gehört haben, imponiert er weit mehr als ein Theaterkönig.
Als die unheilschwangere Nacht, welche die ganze Stadt seit Monaten mit Beklommenheit erwartet hatte, sich auftat unter dem leuchtenden Messer des Erzengels der Rache, begab ein jeder sich ans Fenster, um ein Verbrechen geschehen zu sehen, von dem Herrn Pfarrer an, der hinter einem Sommerladen kauerte, bis zu dem Herrn Rittmeister Cornichet, der bleich hinter seinem Fenster stand; und sogar Fräulein Dalby, die Näherin, trat einige Minuten frohlockend auf ihren Balkon hinaus.
Jedermann wußte, daß Sidonie einen Geliebten hatte, daß Clodomir dies wußte,
daß er die beiden früher oder später töten würde. Dieser Geliebte hatte das
Pech, Unteroffizier zu sein, die Clodomir sämtlich für Hunde
hielt. Clodomir, so schien es, hätte vielleicht jedem beliebigen Manne und sogar
einem Hund verziehen, daß er der Geliebte seines Weibes war: er konnte dem Geliebten
seines Weibes nicht verzeihen, daß er Unteroffizier war. - Marcel Jouhandeau, Der
Mörder Clodomir. In: M. J., Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964
|
||
|
||