ntermieter  Mr. Berman weint heftig am Grab seiner Frau.

Mr. Kipnis, der Untermieter der Bermans, weint fast noch mehr. Schließlich wird das Gejammer dem Witwer zu viel. »Kipnis«, sagt er. »Nehmen Sie's nicht so schwer! Ich werde bestimmt wieder heiraten.«  - (ji)

Untermieter (2)   Er stellte sich vor, wie viele Leute über die gelblichen Schieferplatten hinweggegangen waren, und meinte, daß es ein dichtes Menschengedränge sei. Einmal, als er mit seinen Eltern einen Tag früher, als sie es vorgehabt hatten, aus den Ferien zurückgekommen war, hatten sie hier eine heitere Gesellschaft unbekannter junger Menschen vorgefunden, die um den Tisch gesessen waren und aus den Familientassen Kaffee getrunken hatten, lauter Freundinnen und Freunde einer Kunststudentin, die im vermieteten Zimmer oben rechts neben der Treppe gewohnt hatte. Jetzt war dort eine Kellnerin einlogiert, die drüben im Café bediente, ein brünettes und zierliches Ding, das sich auffällig schminkte. Sie hatte eine Blonde abgelöst, die außer zwei Kleidern nichts besessen hatte und schweigsam gewesen war, wie innerlich zugemauert, vielleicht ihres Freundes, eines verheirateten Mannes, wegen. Einmal hatte sie dem Koch des Cafés erzählt, daß sie Silberbesteck gekauft habe; übrigens eine gepflegte Frau, wie es Eugen vorgekommen war. Auch Herr Breitner hatte dort oben gewohnt, dessentwegen die Hausglocke allzu oft geläutet hatte, weil immer wieder Freunde zu ihm gekommen waren. Und dieser Breitner, ein Architekturstudent, hatte zu wenig gegessen. Nachdem er weggezogen und bei einem Architekten angestellt worden war, hatte er sich's schmecken lassen und deshalb nach seinen Hungerjahren eine Leberkrankheit bekommen.  - Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1986)

Untermieter (3)   Mr. T. hatte auf ein anderes Mädchen umgesattelt. Diese war nicht so «niedlich». Sie war gut einen Kopf größer als er, gebaut wie ein Panther, und ganz offensichtlich nicht gekommen, um über Geschäfte zu reden.

Ich beglückwünschte ihn am nächsten Morgen! am Frühstückstisch und fragte ihn rundheraus, wo er denn eine so auffallende Schönheit aufgegabelt habe.

«Im Tanzpalast», erklärte Mr. T. und entblößte äußerst liebenswürdig seine gelben Fangzähne, um dann in ein backfischhaftes Gekicher auszubrechen.

«Sehr gescheit, ja?» fragte ich, nur um das Gespräch im Fluß zu halten.

«O ja, sie sehr intelligent, sie sehr gutes Mädchen.»

«Passen Sie nur auf, daß sie Ihnen keinen Tripper anhangt», sagte ich, während ich ruhig meinen Kaffee schlürfte.

Ich glaubte, Maude würde vom Stuhl fallen. Wie konnte ich so zu Mr. T. sprechen? Es war sowohl beleidigend als auch widerlich, das sollte ich mir gesagt sein lassen.

Mr. T. machte ein verlegenes Gesicht. Er hatte das Wort «Tripper» noch nicht gelernt. Natürlich lächelte er - warum sollte er nicht? Er kümmerte sich keinen Deut darum, was wir sagten, solange wir ihm erlaubten zu tun, was ihm beliebte.

Aus Höflichkeit gab ich unaufgefordert eine Erklärung. Kopfweh? definierte ich.

Daraufhin lachte er schallend. Sehr guter Witz. Ja, er hatte verstanden. Er hatte nichts verstanden, der kleine Schwanzritter, aber es war höflich, ihn glauben zu lassen, er habe verstanden. Dann lächelte auch ich, ein Banjo-Lächeln, woraufhin Mr. T. noch einmal kicherte, seine Finger im Wasserglas wusch, rülpste und seine Serviette auf den Boden warf.

Ich muß gestehen, daß er guten Geschmack hatte, dieser Mr. T. Zweifellos war er mit seinem Geld freigebig. Sie ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, manche von ihnen. Ich glaube nicht, daß ihm ihre Schönheit viel bedeutete. Er interessierte sich wahrscheinlich mehr für ihr Gewicht, die Beschaffenheit ihrer Haut und vor allem ihre Sauberkeit. Er hatte alle Arten - rothaarige, blonde, brünette, kleine, große, dicke, schlanke -, ganz als habe er sie aus einem Loskorb gezogen. Er kaufte Mösen -. das war alles. Gleichzeitig lernte er ein wenig mehr Englisch. («Wie sagt man das ...?»- «Wie heißt das?» -«Mögen Sie Bon-bons, ja?»} Er verstand sich gut darauf, Geschenke zu machen - das war eine Kunst bei ihm. Oft dachte ich, wenn ich ihn ein Mädchen mit in sein Zimmer nehmen sah, ihn kichern und in dieser Ficki-wicki-Art der Japsen stammeln hörte, wieviel besser die Mädchen dran waren, daß sie Mr. T. erwischt hatten, statt einen jungen amerikanischen College-Boy, der auf Abenteuer ausging. Ich hatte auch das sichere Gefühl, daß Mr. T. immer den Gegenwert für sein Geld bekam. («Sie sich umdrehen, bitte.» - «Sie jetzt lutschen, ja?») Verglichen mit den Künstlerinnen in seinem eigenen Land müssen diese doofen amerikanischen Nutten eine traurige Figur in Mr. T.s Augen abgegeben haben. Ich erinnerte mich an O'Maras Schilderung seiner Besuche in japanischen Bordells. Die reinsten Opiumträume, wenn man ihn hörte. Die Betonung wurde offenbar auf die Präliminarien gelegt. Es gab Musik, Räucherkerzen, Bäder, Massagen, Liebkosungenein ganzes Konzert der Verführung und Verzauberung, wodurch der schließliche Vollzug zu einer Sache von kaum erträglicher Verzückung gemacht wurde. «Ganz wie Puppen», erzählte O'Mara. «Und so anschmiegsam, so zärtlich. Sie behexen einen.» Dann geriet er in Begeisterungsausbrüche über die Kunstfertigkeiten, die sie in petto haben. Sie schienen ein Handuch des Fickens zu besitzen, das dort anfing, wo unseres aufhörte. Und das alles in einer Umgebung von heiterer Anmut, als sei Picken die vergeistigte Kunst, der Vorhof zum Himmel.

Mr. T. in seinem möblierten Zimmer wußte das Beste daraus zu machen, und er konnte von Glück sagen, wenn er ein Stück abgelagertes Holz zum Feuermachen fand. Ob es ihm Vergnügen machte oder nicht, war schwer zu sagen, denn auf alle Fragen antwortete er unabänderlich: «Sehr gut.» Hin und wieder, wenn ich spät nach Hause kam, überraschte ich ihn, wie er nach einer Sitzung mit einer amerikanischen Möse ins Badezimmer ging. Er ging dorthin immer in Strohsandalen und Kimono - einem kurzen Kimono, der knapp seinen Schwanz bedeckte. Maude fand es ungehörig, daß er in dieser Aufmachung umherlief, aber Melanie war der Ansicht, es passe zu ihm wie der Strich überm T. «Sie laufen alle so rum», meinte sie, ohne auch nur das geringste davon zu wissen, aber stets bereit, die Partei des anderen zu ergreifen.

«Gut amüsiert, Mr. T. ?» lächelte ich.

«Sehr gut, sehr gut», und dann ein Kichern. Vielleicht kratzte er sich an seinen Eiern, während er seine Zähne mit einem Grinsen entblößte. «Wasser heiß, ja?» Im Badezimmer verrichtete er dann seine endlosen Waschungen.

Wenn er vermutete, daß Maude schlief, winkte er mir manchmal mit dem Finger, was bedeutete, daß er mir etwas zu zeigen habe. Dann folgte ich ihm in sein Zimmer.

«Ich kommen herein, ja?» sagte er und erschreckte damit das Mädchen über alle Maßen. «Dies Mr. Miller, mein Freund von mir ... dies Miss Brown.» Sie hieß immer Brown, Smith oder Jones, bemerkte ich.

Wahrscheinlich machte er sich nie die Mühe, sie nach ihrem wirklichen Namen zu fragen.

Manche Mädchen waren von überraschendem Format, muß ich sagen. «Ist er nicht niedlich?» konnte man oft von ihnen hören. Worauf Mr. T. zu dem Mädchen ging, wie man an eine Figur in einem Schaufenster herantritt, und ihr Kleid hochhob. «Sie sehr schön, ja?» Und er machte sich.daran, ihre Möse zu inspizieren, als habe er Aktien darauf gekauft.

«Hände weg, du kleiner Teufel, das darfst du mit mir nicht machen!» sagte das Mädchen.

«Du jetzt gehen, ja?» Das war Mr. T.s Art, sie zu entlassen. Es klang verteufelt grob - obwohl es aus einem gelben Bäuchlein kam. Aber Mr. T. merkte nicht, daß er taktlos war. Er hatte sie tüchtig gefickt, ihren Hintern geleckt, sie mit klingender Münze entlohnt und ihr noch dazu ein kleines Geschenk gemacht... was mehr, um Himmels willen. «Du jetzt gehen, ja?» Und er schloß halb die Augen, machte ein völlig hölzernes und uninteressiertes Gesicht und ließ das Mädchen nicht im geringsten darüber im Zweifel, daß es, je schneller sie ging, desto besser für sie war.

«Nächstes Mal Sie versuchen! Sie sehr klein.» Hier grinste er, machte mit den Fingern eine kleine Geste, um mir zu zeigen, wie glatt es ging. «Japanisches Mädchen manchmal sehr groß. Dieses Land großes Mädchen klein. Sehr gut.» Er leckte sich die Lippen nach einer solchen Bemerkung.  - Henry Miller, Sexus. Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1947)

Untermieter (4)
 

Mieter

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme
Aftermieter