nterleib (mit Schuhen)

- Johannes Grützke

Unterleib (2) Auf dem Rückweg vom Dorf führte Hunter Hawk seine Freunde am pittoresken Pfarrhaus von Ehrwürden Dr. Archer vorbei. Der Geistliche saß in einer Art Trickstuhl auf der Veranda. Er wirkte wie ein ganz normaler Mensch, der sich gerade die Treppen seines Hauses hinunterstürzen will.

»Ich kann das nicht mit ansehen«, bemerkte Hunter leise, während er den Gottesmann aus dem Augenwinkel musterte. »Wenn ich in demselben Haus leben müßte wie er, wäre ich ein nervöses Wrack!«

»Inzwischen muß er sich ja wohl daran gewöhnt haben«, erklärte Meg, »er hockt jetzt schon seit vielen Wochen so.« »Könntest du dich nach einem Leben ohne Hocken in wenigen Wochen an ein hockendes Leben gewöhnen?« fragte Hunter. »Mir würde es vielleicht leichter fallen als ihm«, erwiderte Meg nachdenklich. »Siehst du... ?«

»Damit wollen wir jetzt nicht anfangen«, unterbrach Hunter sie, »statten wir Ehrwürden Archer doch lieber einen Besuch ab!« Sie bogen in den Weg ein und begrüßten den schwer geprüften Mann.

»Entschuldigen Sie, daß ich nicht aufstehe«, begrüßte sie der Prediger in seiner schönen, wohlklingenden Stimme, »aber Gott in seiner Weisheit hat es für richtig befunden, mich mit diesem gewichtigen Leiden zu schlagen. Ich habe keine Schmerzen, aber die geistigen Qualen sind groß.«

»Die Throne der Mächtigen sind manchmal hart«, bemerkte Hunter Hawk ehrfürchtig.

»In diesem Fall trifft das besonders zu«, erwiderte Ehrwürden Archer leicht bitter.

»Ich frage mich, welche Absichten ER dabei wohl hat ?« fragte Meg unschuldig.

»Meine Liebe«, erwiderte der Pfarrer, »ich habe hier viele Stunden gesessen oder vielmehr gehockt und versucht, diese Frage selbst zu beantworten. Ich kann nur annehmen, daß Gott seine heiteren Seiten hat, denn ganz sicher könnte keine Gottheit allen Ernstes einem Menschen etwas so Albernes antun. Trotz der Demütigungen, die ich erlitten habe, ist mir Gott irgendwie nähergekommen. Er erscheint mir jetzt sehr viel menschlicher.« »Das ist ein großer Gewinn«, versicherte ihm Hunter Hawk, »vermutlich hat es in Zukunft Einfluß auf Ihre Predigten und auf Ihre Beziehungen zu den Mitgliedern ihrer Gemeinde.« »Das tut es bereits«, erwiderte Ehrwürden Archer, »ich sehe jetzt vieles anders. In einigen Fällen hat sich meine Haltung völlig geändert. Früher glaubte ich, die meisten Mitglieder meiner Gemeinde, und Sie wissen, es handelt sich um eine sehr exklusive Gesellschaft, müßten nicht gerettet werden. Jetzt habe ich das Gefühl, daß sie es nicht wert sind, gerettet zu werden.« Ehrwürden Archer musterte die Gesichter seiner Besucher etwas besorgt, um die Wirkung seiner Worte zu sehen. »Ich hoffe«, fügte er hinzu, »meine Ansichten schockieren Sie nicht.« »Überhaupt nicht«, antwortete Hunter Hawk, »das war schon immer meine Meinung. Aber mein lieber Dr. Archer, sind Sie sicher, daß Sie nach Wiederbelebung Ihres Unterleibs, ich meine, wenn er seine frühere Beweglichkeit wiedergefunden hat, nicht rückfällig werden?«

»Offen gesagt, Mr. Hawk«, erklärte der Pfarrer mit einem reizenden Lächeln, »werde ich mich im wesentlichen wie gewohnt verhalten, aber mit gewissen stillen Vorbehalten. Sie verstehen, was ich meine? Ich lebe hier recht komfortabel. Ich sehe keinen Grund, etwas daran zu ändern. Es würde zu nichts Gutem führen.« »Und außerdem«, sagte Daffy gelassen, »nachdem man der Vorteile und kleinen Kompensationen einiger wichtiger Funktionen beraubt war, weiß man sie nach dem Wiedereinsetzen ihrer angenehmen Tätigkeiten um so mehr zu schätzen.«

Ehrwürden Archer wirkte einen kurzen Augenblick verblüffte dann lächelte er und diesmal noch charmanter. »Wundervoll ausgedrückt, mein Fräulein«, erwiderte er, »in etwa sehe ich das auch so. Man sollte sozusagen einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen.« »Richtig«, warf Meg ein, »man soll alles mitnehmen.« »Er ist ein netter Kerl«, murmelte Cy Sparks, dessen Sympathie schnell geweckt wurde, »wie wäre es denn. Hunter?« »Gut«, erwiderte der Wissenschaftler, »ich habe das Gefühl, schließlich doch etwas Gutes in der Welt geleistet zu haben.« Mit einer leichten Bewegung der linken Hand richtete er den belebenden Strahl auf den Unterleib von Ehrwürden Dr. Archer. »Dr. Archer«, sagte er, »ich habe Grund zu der Annahme, daß Sie, wenn Sie sich jetzt von diesem unmöglich aussehenden Ruheplatz erheben, bei näherer Untersuchung feststellen, daß alles wieder so ist, wie es sein sollte.«

Es war eine Freude, das Glück des Pfarrers mitanzusehen. Er vergaß einen Augenblick lang jeden Respekt vor dem Talar und machte ein paar ausgelassene Tanzschritte, die er nicht auf ehrbare Weise gelernt haben konnte. Nach dieser überraschenden Demonstration seiner Dankbarkeit führte er die Gäste ins Haus und bewirtete sie mit ein paar großen Gläsern hervorragenden Cognacs.

»Wissen Sie«, verkündete er beim Abschied, »ich glaube, ich gehe mal schnell zu Mrs. Brightly hinüber. Es wird sie sehr interessieren zu erfahren, daß ...«

»... Ihr Unterleib wieder hergestellt ist«, unterbrach ihn Daffy, »ich bin sicher, das ist ein Anlaß für beiderseitige Glückwünsche.« Wieder mußte Ehrwürden Archer sie verblüfft ansehen, doch dann rettete ihn sein Lächeln. »Hübsch gesagt«, sagte er, »aber mit einer leisen Spur von Bosheit. Ach übrigens, weiß jemand, ob Mr. Brightly immer noch abwesend ist?« »Das ist er«, antwortete Meg.

»Gut«, sagte Dr. Archer unüberlegt, »ich meine, ich hoffe, er hat angenehme Ferien.«  - (goetter)

Unterleib (2)

- Bourgery & Jacob

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