nterhaltung  Wir erfanden  eine einzigartige Unterhaltung, die ich nirgends sonst beschrieben gesehen habe. In der Mitte eines kleinen, runden, von Jasminbüschen umgebenen Spielplatzes hinten in unserem Garten stand eine Schaukel. Wir stellten die Länge der Seile so ein, daß das grüne Schaukelbrett nur etwa fünf Zentimeter über Stirn und Nase hinwegfegte, wenn man im Sand darunter auf dem Rücken lag. Einer von uns begann den Spaß, indem er sich aufs Bett stellte und mit zunehmendem Schwung schaukelte; der andere legte sich mit dem Hinterkopf auf eine markierte Stelle, und aus anscheinend gewaltiger Höhe sauste das Brett mit dem Schaukelnden über das Gesicht des Liegenden. Und drei Jahre später wurde er als Kavallerieoffizier in Denikins Armee beim Kampf gegen die Roten im Norden der Krim getötet.

Ich sah seinen Leichnam in Jalta, die ganze Vorderpartie seines Schädels war von mehreren Kugeln nach hinten gedrückt, die ihn wie das Eisenbrett einer monströsen Schaukel getroffen hatten, als er, verwegen seine Abteilung hinter sich lassend, ganz allein auf eine rote Maschinengewehrstellung losgestürmt war. Solchermaßen wurde sein lebenslanger Durst nach Unerschrockenheit in der Schlacht gestillt, nach jenem letzten tapferen Galopp mit gezückter Pistole oder gezogenem Schwert. Wäre ich imstande gewesen, sein Epitaph zu schreiben, so hätte ich die Dinge vielleicht resümiert, indem ich — in reicheren Worten, als sie mir hier zur Verfügung stehen - gesagt hätte, daß bei Jurij alle Gefühle, alle Gedanken von einer Gabe beherrscht waren: einem Ehrgefühl, das die moralische Entsprechung zu absolutem Gehör war. - (nab)

Unterhaltung (2) In der Unterhaltung muß man die Mitte halten zwischen einer gewissen Bequemlichkeit im Sprechen oder einer Zerstreutheit, die uns vom Gegenstand des Gesprächs weitab führt und dumme Fragen stellen oder schiefe Antworten geben läßt, und zwischen einer zudringlichen Aufmerksamkeit, mit der man auf jedes Wort achtet, das jemandem entschlüpft, um es aufzugreifen, damit herumzuspielen, eine geheime Bedeutung darin zu entdecken, die die andern nicht bemerken, und Feinheiten dahinter zu suchen bloß um mit seinem eigenen Scharfsinn zu prunken. - (bru)

Unterhaltung (3)  Die Kunst der Unterhaltung besitzen: denn sie ist es, in der ein ganzer Mann sich produciert. Keine Beschäftigung im Leben erfordert größere Aufmerksamkeit: denn gerade weil sie die gewöhnlichste ist, wird man durch sie sich heben oder stürzen. Ist Behutsamkeit nöthig, einen Brief zu schreiben, welches eine überlegte und schriftliche Unterhaltung ist; wie viel mehr bei der gewöhnlichen, in der die Klugheit eine unvorbereitete Prüfung zu bestehen hat. Die Erfahrenen fühlen der Seele den Puls an der Zunge, und deshalb sagte der Weise: "Sprich, damit ich dich sehe." Einige halten dafür, daß die Kunst der Unterhaltung gerade darin bestehe, daß sie kunstlos sei, indem sie locker und lose, wie die Kleidung, seyn müsse: von der Unterhaltung zwischen genauen Freunden gilt dies wohl; allein, wann mit Leuten, die Rücksicht verdienen, geführt, muß sie gehaltvoller seyn, um eben vom Gehalt des Redenden Zeugniß zu geben. Um es recht zu treffen, muß man sich der Gemüthsart und dem Verstande des Mitredenden anpassen. Auch affektire man nicht, Worte zu kritisiren; sonst wird man für einen Grammatikus gehalten: noch weniger sei man der Fiskal der Gedanken, sonst werden Alle uns ihren Umgang entziehen und die Mittheilung theuer feil haben. Im Reden ist Diskretion viel wichtiger, als Beredsamkeit. - (ora)

Unterhaltung (4)  Jede ging abseits von der andern, eine jede mit ihrem Liebhaber, eine jede in ihre Allee, die mit schönen Weingeländern so dicht bedeckt war, daß das Tageslicht sozusagen gar nicht hineindringen konnte, und die Frische war da voller Reize. Einer der beiden, der ein kühner Herr war und wohl wußte, daß diese Partie nicht zum Spazierengehen und zur Erfrischung gemacht wurde, verspürte an der Haltung seiner Dame, die er in Begierde brennen sah, daß sie nach andrem verlangte, als die Muskatellerbirnen zu essen, die im Weingeflecht hingen, was sie ihn auch durch ihre hitzigen, gezierten und schäkerhaften Reden merken ließ, und darum versäumte er eine so schöne Gelegenheit nicht, sondern er nahm sie ohne jede Rücksicht, legte sie auf ein kleines, aus gestochenen Rasenstücken und Erdschollen hergestelltes Bett und genoß sie da in aller Süßigkeit, ohne daß sie etwas andres sagte als: »Mein Gott! Was wollt Ihr machen? Seid Ihr nicht der größte Narr und verrückteste Kerl von der Welt? Und wenn jemand kommt, was wird man sagen? Mein Gott! Laßt mich doch.« Aber der Edelmann wurde gar nicht bange, sondern fuhr so tüchtig fort, daß er und sie und alles in solcher Befriedigung ablief, daß sie nach drei- oder viermaligem Hinundhergehn in der Allee noch einen zweiten Angriff machten. Als sie dann in eine andre offene Allee herauskamen, sahen sie von der andren Seite den andren Edelmann und die andere Dame, die immer noch so lustwandelten, wie sie sie vorher verlassen hatten. Dabei sagte die befriedigte Dame zum befriedigten Edelmann: »Ich glaube, der hat einen argen Dümmling gespielt, und er hat seine Dame mit nichts weiter unterhalten als mit Worten, mit Gesprächen und mit Spazierengehn.«   - (brant)

Unterhaltung (5)   Meine eigentliche literarische Vorliebe gilt der Literatur, die geschrieben ist, wie man einen Brief schreibt.  Die großen Werke können mir gestohlen bleiben. Ich mag nur geschriebene Unterhaltung. - (leau)

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