nterhalt Niemals hat es an Leuten gefehlt, welche auf jenes metaphysische Bedürfniß des Menschen ihren Unterhalt zu gründen und dasselbe möglichst auszubeuten bemüht waren; daher es unter allen Völkern Monopolisten und Generalpächter desselben giebt: die Priester. Ihr Gewerbe mußte ihnen jedoch überall dadurch gesichert werden, daß sie das Recht erhielten, ihre metaphysischen Dogmen den Menschen sehr früh beizubringen, ehe noch die Urtheilskraft aus ihrem Morgenschlummer erwacht ist, also in der ersten Kindheit: denn da haftet jedes wohl eingeprägte Dogma, sei es auch noch so unsinnig, auf immer. Hätten sie zu warten, bis die Urtheilskraft reif ist; so würden ihre Privilegien nicht bestehn können.
Eine zweite, wiewohl nicht zahlreiche Klasse von Leuten, welche ihren Unterhalt
aus dem metaphysischen Bedürfniß der Menschen zieht, machen die aus, welche
von der Philosophie leben: bei den Griechen hießen sie Sophisten, bei den Neuern
Professoren der Philosophie. Aristoteles zählt
(Metaph. II, 2) den Aristipp unbedenklich den Sophisten bei: den Grund
dazu finden wir bei Diogenes Laertius (II, 65), nämlich daß er der Erste
unter den Sokratikern gewesen, der sich seine Philosophie bezahlen ließ; weshalb
auch Sokrates ihm sein Geschenk
zurücksandte. Auch bei den Neuern sind die, welche von der Philosophie leben,
nicht nur, in der Regel und mit den seltensten Ausnahmen, ganz Andere, als die,
welche für die Philosophie leben; sondern sogar sind sie sehr oft die Widersacher,
die heimlichen und unversöhnlichen Feinde dieser: denn jede ächte und bedeutende
philosophische Leistung wird auf die ihrigen zu viel Schatten
werfen und überdies den Absichten und Beschränkungen der Gilde sich nicht fügen;
weshalb sie allezeit bemüht sind, eine solche nicht aufkommen zu lassen, wozu
dann, nach Maaßgabe der jedesmaligen Zeiten und Umstände, bald Verhehlen, Zudecken,
Verschweigen, Ignoriren, Sekretiren, bald Verneinen, Verkleinern, Tadeln, Lästern,
Verdrehen, bald Denunziren und Verfolgen die üblichen Mittel sind. Daher hat
denn auch schon mancher große Kopf, unerkannt, ungeehrt, unbelohnt, sich keuchend
durchs Leben schleppen müssen, bis endlich nach seinem Tode die Welt über ihn
enttäuscht wurde, und [er] über sie. Inzwischen hatten sie ihren Zweck erreicht,
hatten gegolten, dadurch daß sie ihn nicht gelten ließen, und hatten mit Weib
und Kind von der Philosophie gelebt, während Jener für diese lebte.
Ist er aber todt; da kehrt die Sache sich um; die neue Generation jener stets
Vorhandenen wird nun der Erbe seiner Leistungen, schneidet sie nach ihrem Maaßstab
sich zurecht und lebt jetzt von ihm. Daß jedoch Kant zugleich von
und für die Philosophie leben konnte, beruhte auf dem seltenen Umstande,
daß, zum ersten Male wieder, seit dem Divo Antonino [Göttlichen Mark
Aurel] und Divo Juliano [Göttlichen Julian Apostata], ein Philosoph
auf dem Throne saß: nur unter solchen Auspicien konnte
die Kritik der reinen Vernunft das Licht erblicken. Kaum war der König
todt, so sehn wir auch schon Kanten, weil er zur Gilde gehörte, von Furcht ergriffen,
sein Meisterwerk in der zweiten Ausgabe modificiren, kastriren und verderben,
dennoch aber bald in Gefahr kommen, seine Stelle zu verlieren; so daß ihn Campe
in Braunschweig einlud, zu ihm zu kommen, um als das Oberhaupt seiner Familie
bei ihm zu leben (Ring [Rinck], Ansichten aus Kants Leben, S. 68). - (
wv
)
|
|