nparteilichkeit   Der ehrenvollste Zug im Charakter Valentinians ist aber die feste und besonnene Unparteilichkeit, welche er in einem Zeitalter religiöser Zwietracht gleichförmig bewahrte. Sein kräftiger, durch Studium nicht erleuchteter aber auch nicht verkehrter Verstand wies mit achtungsvoller Unbekümmertheit die spitzfindigen Fragen theologischen Streites von sich. Die Regierung der Erde forderte seine Wachsamkeit und befriedigte seinen Ehrgeiz, und während er eingedenk war, daß er der Schüler der Kirche sei, vergaß er nie, daß er der Souverain der Geistlichkeit wäre. Unter der Regierung eines Apostaten hatte er seinen Eifer für die Ehre des Christenthumes an den Tag gelegt: er gestattete seinen Unterthanen das gleiche Recht, das er für sich angesprochen hatte, und sie mochten mit Dankbarkeit und Vertrauen die allgemeine Toleranz annehmen, welche von einem Fürsten gewährt wurde, der zwar den Leidenschaften ergeben, aber der Furcht und Verstellung unfähig war. Die Heiden, die Juden und alle die verschiedenen Sekten, welche die göttliche Macht Christi anerkannten, wurden von den Gesetzen gegen willkürliche Gewalt wie gegen die Beleidigungen der Menge geschützt; keine Art von Gottesverehrung war von Valentinian verboten, mit Ausnahme jener geheimen und verbrecherischen Gebräuche, welche den Namen der Religion zu den schwarzen Zwecken des Lasters und der Unordnung mißbrauchten.

Die Kunst der Magie war, wie sie grausamer bestraft wurde, auch strenger verboten; aber der Kaiser ließ einen förmlichen Unterschied gelten, um die alten Methoden der Divination zu beschützen, welche von dem Senate gebillgt worden waren und von den toskanischen Haruspices ausgeübt wurden. Er hatte mit Zustimmung der aufgeklärtesten Heiden die Ausgelassenheit der nächtlichen Opfer verdammt,  aber er gewährte sogleich die Bitte des Prokonsuls Prätextatus von Achaja, welcher ihm vorstellte, daß das Leben der Griechen traurig und trostlos sein würde, wollte man sie der unschätzbaren Segnungen der eleusinischen Geheimnisse berauben. Nur die Philosophie kann sich rühmen (und vielleicht ist es nicht mehr als das Rühmen der Philosophie), daß ihre sanfte Hand im Stande sei, aus dem menschlichen Geiste das verborgene und tödtliche Princip des Fanatismus auszurotten. - Edward Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reiches. Nördlingen 1987 (Die Andere Bibliothek 29, zuerst 1776 bis 1788)

Unparteilichkeit  (2)  Um seiner Unparteilichkeit allen Religionen und Nationen gegenüber Ausdruck zu verleihen, heiratete Kaiser Akbar nicht nur mohammedanische und Hindufrauen, sondern auch chinesische und christliche, die seine Gesandten ihm aussuchen mußten. Für jede errichtete er eine besondere Zenana. Akbar gründete später selbst eine neue Religion: »Din-i-Illahi« (der göttliche Glaube). Ihre Lehre lautete: »Es gibt nur einen Gott, den Schöpfer des Universums, dessen Stellvertreter auf Erden Akbar ist.« - Magnus Hirschfeld, Weltreise eines Sexualforschers im Jahre 1931/32. Frankfurt 2006 (zuerst 1933)

Unparteilichkeit  (3)    Da es  ein viel besseres Geschäft war, sowohl die Bestohlenen als auch die Diebe auszubeuten, hätte er verrückt sein müssen, wenn er sich mit einer der beiden Parteien verbündet hätte. - Daniel Defoe, Jonathan Wild. In: D.D., Romane in zwei Bänden. München 1968 (zuerst 1725)

Unparteilichkeit  (4)   Ich liebe das Leben durchaus nicht und habe auch keine Angst vor dem Tod. Die Hypothese vom absoluten Nichts hat nicht einmal etwas Erschreckendes für mich. Ich bin bereit, mich mit Gelassenheit in das große schwarze Loch zu stürzen.

Und doch zieht mich die Religion über alle Maßen an. Ich meine damit alle Religionen, nicht eine mehr als die andere. Jedes besondere Dogma stößt mich ab, aber ich betrachte das Gefühl, aus dem heraus sie geschaffen wurden, als das natürlichste und poetischste der Menschheit. Ich mag die Philosophen nicht im geringsten, die darin nur Gaukelei und Dummheit sehen. Ich entdecke darin Notwendigkeit und Instinkt; deshalb achte ich den Neger, der seinen Fetisch küßt, ebenso wie den Katholiken zu den Füßen von Herz Jesu.

Fahren wir in den vertraulichen Geständnissen fort; ich habe für keine politische Partei Sympathien, oder, um es deutlicher zu sagen, ich verabscheue sie alle, weil sie mir alle auf die gleiche Weise beschränkt, falsch und kindisch vorkommen, weil sie das Flüchtige ohne Gesamtüberblicke in Angriff nehmen und weil sie sich niemals über das nur Nützliche erheben. Ich hasse jeden Despotismus. Ich bin ein besessener Liberaler. Deshalb erscheint mir der Sozialismus als eine pedantische Abscheulichkeit, die der Tod aller Künste und aller Moralität sein wird. Ich habe als Zuschauer fast allen Aufständen unserer Zeit beigewohnt. - (flb)

Unparteilichkeit  (5)   Dschuang Dsï lag im Sterben, und seine Jünger wollten ihn prächtig bestatten. Dschuang Dsï sprach: »Himmel und Erde sind mein Sarg, Sonne und Mond leuchten mir als Totenlampen, die Sterne sind meine Perlen und Edelsteine, und die ganze Schöpfung gibt mir das Trauergeleite. So habe ich doch ein prächtiges Begräbnis! Was wollt ihr da noch hinzufügen?« Die Jünger sprachen: »Wir fürchten, die Krähen und Weihen möchten den Meister fressen.« Dschuang Dsï sprach: »Unbeerdigt diene ich Krähen und Weihen zur Nahrung, beerdigt den Würmern und Ameisen. Den einen es nehmen, um es den andern zu geben: warum so parteiisch sein?« - Dschuang Dsï

Unparteilichkeit  (6) Die Frau Professor Hollmann habe ich gekannt, aber den Hund von dem Grafen von Salmour nicht, der Tod gefällt mir beynah seiner Unpartheylichkeit wegen, die Frau eines Philosophen und der Hund eines Grafen sind ihm einerley, welcher Mensch macht nicht einen Unterschied hier zwischen.  - Lichtenberg an Johann Christian Dieterich, nach (mehr)

Verstand Wissenschaft Partei

 

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