nmann  »In meiner Kindheit erlitt ich einen grausamen Unfall, der eine schmerzhafte Operation notwendig machte ... Ein Truthahn – wer sollte so etwas von einem so harmlosen Tier für möglich halten – brachte mich an den Rand des Grabes. Ich wurde gerettet. Ich verdanke mein Leben braven Leuten, denen man mich als Kind anvertraut hatte. Ich habe sie seitdem nicht im Stich gelassen und werde es auch nie tun. Ich habe tüchtige Studien gemacht. Der Eifer, womit ich mich diesen ergab, machte mir meine Lehrer zu Freunden, denn, glücklicher veranlagt als meine Mitschüler, tat ich aus Neigung, was sie nur gezwungen taten und die ihnen verhaßten Arbeiten waren meine größte Freude.

Nachdem ich das Kolleg verlassen hatte, ging ich auf Reisen. Da mich keine Leidenschaft blendete, wurde ich ein guter Beobachter, ich betrieb alle Wissenschaften, machte große Fortschritte, zeichnete mich aus; ganz Europa kennt meinen Namen.«

»Ich weiß es,« unterbrach ihn die hübsche Witwe, »aber wie war es mit der Liebe?«

»Ich habe niemals geliebt. Ihnen war es vorbehalten, Liebesgefühle in mir wachzurufen.«

»Wie? nicht ein ganz klein wenig geliebt? Nicht einmal ein kleines Grisettchen?«

»Nein, ganz und gar keine. Um mich in Glut zu versetzen, waren Ihre Vorzüge notwendig.«

»Schade, da wird Ihre Lebensgeschichte bald zu Ende sein!«

»Sie ist es mit den zwei Worten: ich sah Sie und liebte Sie trotz allen grausamen Hindernissen. Den Rest kennen Sie ...«

»Mit Ausnahme von einem Punkt, den zu wissen ich vor Verlangen brenne.«

»Und der wäre?«

»Mich plagen gewisse Zweifel, und seit gestern geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf: Sie könnten ein Weib sein?«

»Ich ein Weib? Nein, meine Teuerste, das bin ich nicht.«

»Und das ist der Punkt, über den ich Klarheit haben möchte. Sie lieben mich also immer noch so heiß wie früher?«

»So heiß wie früher, teuerste Freundin.«

»Sie beruhigen mich ... halb. Warum, Geliebter, scheust du denn davor zurück, zu erproben, wie weit meine Zärtlichkeit geht?«

Statt jeder Antwort schloß er sie in seine Arme und ließ ihr die zärtlichsten Liebkosungen zuteil werden.

»Ach, mein Herzensgeliebter, jetzt fühle ich endlich, daß du mich liebst!« ...

»Circe! teuerste Circe! Ist deine Liebe zu mir über alles erhaben?«

»Mein Leben, Geliebter, mein Lieben gehört dir! Sprich!«

»Ich verlange nicht dein Leben, nur deine Liebe!«

»Mein ganzes Herz gehört dir!«

»Ich werde es kennen lernen. So vernimm denn Schreckliches: der Truthahn ...«

»Nun?«

»Hat mich ...«

»Was hat er?«

»Der Macht beraubt ... dich zu hindern ... spröde zu sein ...« - Restif de la Bretonne

 

Mann Unmännlichkeit

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme