ngeschlachtigkeit
Es ist ihr alleiniges Ziel: eventuell soll sich der Waldmensch,
von eigener Hand und ihrem Geld geleitet, zu ihr herführen. Freiwillig wäre
es schöner von ihm. Sie berechnet den Redaktionen große Summen, die pro Gedicht
zu bezahlen sind. Was hat der Künstler und Künder davon, wenn er hungert, was
nützt es seinem guten Ruf? Bei dem Holzknecht wird ihr die von den Gescheiten
geborgte Sprache nichts nützen, ein einziger Gedanke könnte da schon schaden.
Also bitte, was kostet ein kompletter Tag von ihm? Sie könnte ihm was zahlen,
mehrere Bier und Schnaps. Sein Messer wird trotzdem an ihr abgleiten, an einem
solchen Felsblock von Arroganz. So wie es Jesus auf dem Wasser vor seinen eigenen
Fußsohlen gegraust hat, es war ihm wohl unheimlich, weil es außer ihm niemand
selbstbeherrschte. Die alte Frau, im nachhinein hat sie recht boshaft zu sein,
erzählt Erfindungen über den ehemals Philosophen Geliebten ja. Sie knistert
in ihrer Trockenhaut, das ist ein Sondereinsatz, damit nichts durchgeht bis
auf die Bettwäsche. Der Meister hat sie damals in eine Art Lederhaube eingesackelt,
bis sie fast nicht mehr zu atmen bedurfte, hat sie alsdann regelmäßig mit Nahrung
(hat er nicht selber gekocht) und mittels eines Trichters zugeschoppt. Wie die
Pflanze, schon wieder ein überschüssiger Vergleich aus der grandiosen Natur,
durch ihren abgeschnittenen Stengel inständig zu saufen versucht. Er war auch
im Alter noch ordentlich bestückt! Und zwar fix, d. h. man konnte das Ersatzteil,
den Einsatzteil nicht abnehmen, auch in der Nacht nicht! Die Assistenten, und
zwar jene, die heute niemals herkämen, (Weg zu beschwerlich, Weg zu sich selbst?)
haben das Geheimnis um die Ungeschlachtigkeit ihres akademischen Lehrers untereinander
aufgeteilt: das Geheimnis. Es wurde nie jemandem mitgeteilt, und auch die alte
Frau wird stetig daran gehindert zuviel zu plauschen.
- Elfriede Jelinek, Oh Wildnis, oh Schutz vor ihre.
Reinbek bei Hamburg 1998 (zuerst 1985)
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