Deshalb können diese mathematischen Eingebungen Hilberts nicht mehr Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nehmen als Beobachtungen der materiellen Welt. Vielmehr sind sie lediglich Teilstücke der Information, die von etwas unterschiedlichen Teilen unseres Gehirns verarbeitet wird. Der Formalist ist folglich zu dem Schluß gezwungen, daß
entweder die Mathematik nicht exakt ist oder auf einer anderen Grundlage
beruht als die menschlichen Sinne oder geistigen Vorgänge. - (
bar
)
Unfehlbarkeit (2) Nicht sehr lange vor der Vervollkommnung des Mikroskops durch den Holländer Antonie van Leeuwenhoek (1632-1723) erklärte Papst Gregor XIII. (1572-85), ein studierter Kirchenrechtler, es sei kein Tötungsdelikt, wenn man einen weniger als vierzig Tage alten Embryo abtreibe, da er ja noch nicht menschlich sei.
Dagegen nannte Gregors Nachfolger, Sixtus V. (1585-90), in seiner Bulle Effraenatum von 1588 jede Abtreibung eine Tötung, für die Arzte und Eltern mit der Exkommunikation zu bestrafen seien. Doch wenig später verwarf Gregor XIV. (1590-91) die Ansicht von Sixtus wieder wegen allzu großer Strenge und setzte dessen Bulle außer Kraft.
Die Auseinandersetzungen nahmen noch lange kein Ende. 1621 erklärte der am päpstlichen Hof hochangesehene römische Arzt Paulo Zacchia, die Anschauungen des Aristoteles über die Embryonalentwicklung seien Unsinn, das Leben beginne im Augenblick der Zeugung. Trotzdem erklärte der Vatikan die Taufe von weniger als vierzig Tage alten Fehlgeburten noch immer nicht für obligatorisch; es blieb den trauernden Eltern überlassen, ob sie die Seele ihres ungeborenen Kindes von der Erbsünde reinigen wollten oder nicht. Bei einer Fehlgeburt nach mehr als vierzig Schwangerschaftstagen sollte der Fötus vor der Bestattung getauft werden, da man annahm, daß er eine Seele habe.
Noch im 18. Jahrhundert bestritt der bedeutendste Moraltheologe der Kirche,
Alfonsus Liguori, der später heiliggesprochen wurde, daß Gott
dem Fötus vor dem vierzigsten Tag der Schwangerschaft eine Seele schenke. Eine
Abtreibung sei zwar moralisch verwerflich, aber da es unsicher sei, wann die
Seele in den Fötus gelange, sei sie unter gewissen Umständen,
etwa wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel stehe,
hinzunehmen. - (pan
)
Unfehlbarkeit (3) Speziell
über Papst Pius IX. soll der Kurienkardinal Gustav von Hohenlohe bei
seiner Ablehnung der Unfehlbarkeit ein hartes Urteil gefällt haben: "Ich
brauche kein anderes Argument für mich als das einzige, dass mir in meinem ganzen
Leben kein Mensch vorgekommen ist, der es mit der Wahrheit weniger genau nahm
als gerade Pius IX." - Nach: Peter Bürger,
Telepolis
vom 25.10.2009
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