- Andrea Naica-Loebell,
telepolis
29.12.2006
Unauffällig (2) Er war groß, stark, feurig und
sicher; in seinen Zügen lag etwas von jener Weichheit, die Frauen benötigen,
um sich bei einem Manne heimisch zu fühlen. Wer ihn sah, nannte ihn den Adam
des Michelangelo. Er verstand es sehr gut, Intelligenz mit Eleganz zu verbinden.
Seine glänzende Begabung wurde durch die Politik seiner Geliebten zu genialer
Wirksamkeit gesteigert. Als sie sicher war, daß niemand anderer Nachfolger ihres
Mannes in der Anstaltsleitung werden könne als eben Georges, ging sie für ihn
durch einen Giftmord, über den sie sogar schwieg. Seit Jahren hatte sie ihn
bedacht und vorbereitet; er gelang. Der Mann starb unauffällig. Georges wurde
sofort zum Direktor ernannt und heiratete sie aus Dankbarkeit für ihre früheren
Dienste; vom letzten hatte er keine Ahnung. - Elias Canetti, Die Blendung.
Frankfurt am Main 200 (zuerst 1935)
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