mstände, gesegnete Engeltrut kam in gesegnete Umstände, Siegwart dadurch fast in verfluchte; sie war voll Gelüste und Verabscheuungen, und die 600 Krankheiten, die nach Hippokrates die Gebärmutter erzeugt, färbten mit ihren 600 Schatten sein Leben etwas grau. Zu allererst hatte sie einen noch größern Abscheu vor dem Manne als sonst vor Wein und Sauerkraut - weil beide häufig mit fremden Füßen gestampft werden. Dann war ihr jeder Vogel horribel, den er besaß, seine Turteltauben ihre Basilisken; das Dorf war ihr eine schmutzige Untersetzschale für Vogelhäuser und eine überall offne Pandorasbüchse;. sogar Gott selber sank bei ihr zuletzt - bloß Gotthelf nicht. Sie weinte einmal drei Tage lange und war, da sie keine Ursache dazu wußte, nicht zu trösten, bis glücklicherweise ihr Helf, da er auf einer Gartenmauer ritt, sich durch einen Sturz einige Glieder verstauchte; dies gab ihr wieder Leben.
Freilich hätte sie eine schwangere Nabobin oder Fürstin sein sollen: welche ganz andere Wünsche hätte sie tun können als bloß solche, einen Lerchen-Hals zu braten, eine Henne zu kochen bloß zum Essen von Eiern ohne Eiweiß und Schale und sich wie Dorfbier durch Kreide zu entsäuern! Hätte sie nicht als Fürstin verlangen können, z. B. daß man ihr eine Zaunkönigs- und Elefanten-Mark-Suppe auftrage - oder daß sie die zarten Hirschkolben auf der Geburtsstelle selber, auf dem Hirschkopfe gereift, d. h. gebraten bekäme? Hätte sie nicht ein Kanapee aus Barthaaren für ihre Kammerfrauen begehren können, ein Stadt-Tor als Rahmen für ihr Groß-Bild, Streuzucker statt der Streublumen für ihre Einzugs-Straße und noch stärkere Gaben, z. B. Windeln aus bloßen Palliums, Wickelbänder aus zerschnittenen Schäferkleidern, eine Toiletten-Schachtel aus Paris mit 6 Pferden zugerollt, für das Wickelkind einen Christbaum aus zerspaltenen Hoheitspfählen gezimmert und geästet und ein Christgeschenk aus Thron-Insignien? Könnte man solche Phantasien zu erschöpfen glauben: so ließen sich noch mehrere Federungen einer gedachten Landes-Mutter gedenken, z. B. daß sie schlechte Dekorations- und Deckenmaler lieber selber auf einer Kochenille-Mühle zu Farbenkörnern und Farbentropfen vermählen möchte — daß sie vornehme Gefangene mit (Zucker-) Wasser und (Zucker-) Brot traktierte — daß sie ein Kollegium ins andere gösse, das der Kammer in das der Justiz etc. etc., etwa wie Wasser in Schmelz-Kupfer oder wie Öl in Wasser oder wie Wasser in brennendes Öl.
Bei mehreren Völkern legen sich daher die Väter ins Kindbette, um sich von
den bisherigen Mutter- oder Vaterbeschwerungen der Schwangerschaft zu erholen.
Der alte Vogler heilte sich seine Töpferkolik - eine passende Metapher, da er
der Töpfer des Fötus war - bloß durch ein gewöhnliches Verreisen. - (
fibel
)
Umstände,
gesegnete (2) Sie haben schon neun mal geblasen und
doch kann er sich nicht entschliessen, an das Licht dieser Welt zu kommen. Seit
neun Monaten lebe ich in schauerlicher inniger Verbindung mit meinem ungeborenen
Säugling. Die grosse matt schimmernde Fruchtblase ist an einem Dienstag Morgen
im kalten Februarlicht mit einem lauten Knall geplatzt. Seitdem zerteilt er
mit seinen winzigen roten Händchen den fleischernen Vorhang meiner zahlreichen
Eingeweide, in der Hoffnung auf einen Schimmer von Licht in seiner trostlosen
Dunkelheit. Er durchschwimmt meinen geschwollenen Leib mit dem letzten Mut eines
schwächlichen Schwimmers, der nahe dem Ertrinken ist und schnappt wie ein Fisch,
der an den Strand gespült wurde, verzweifelt nach Luft. Noch ungeboren muss
er bereits um sein Leben kämpfen und das nimmt ihm die wenige Kraft, die er
besitzt. Aber er ist zäher, als ich gedacht habe. Jetzt hat der Bastard sich
den verbotenen Weg zu meinem schwachen Herzen gebahnt, als sei dieses zuckende
Bündel von Muskeln sein Rettungsanker. Er bohrt seine kleinen Finger in mein
Herz und klammert sich daran fest, wie einer, der sich an die straff gespannte
Schnur seines Galgens klammert. Mein Herz erschreckt sich bei diesem Überfall
und will aufhören zu schlagen. Ich beuge mich weit nach vorne, lege meinen Mund
an meinen geschwollenen Bauch und schreie laut und in langgezogenen Tönen, um
meinen ungeborenen Säugling zu erschrecken. - Unica Zürn, Die Trompeten von
Jericho. In: U. Z., Das Weiße mit dem roten Punkt. Texte und Zeichnungen. Frankfurt am Main - Berlin
1988
|
||
|
||