mkehrung  Aristoteles sagt irgendwo: Wenn wir wachen, so haben wir eine gemeinschaftliche Welt, träumen wir aber, so hat ein jeder seine eigne. Mich dünkt, man sollte wohl den letzteren Satz umkehren und sagen können : wenn von verschiedenen Menschen ein jeglicher seine eigene Welt hat, so ist zu vermuten, daß sie träumen. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik (1766)

Umkehrung (2)  Boerhaave sagt an einem Orte: Das Tier ist eine Pflanze, die ihre Wurzel im Magen (inwendig) hat. Vielleicht könnte ein anderer eben so ungetadelt mit diesen Begriffen spielen und sagen: Die Pflanze ist ein Tier, das seinen Magen in der Wurzel (äußerlich) hat. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik (1766)

Umkehrung (3)

TIMON
Laß mich noch einmal auf dich schaun. Du Mauer,
Die diese Wölf umschließt, tauch in die Erde,
Schutz nicht Athen! Fraun, werdet zügellos;
Trotzt euren Eltern, Kinder! Sklaven, Narren,
Reißt von dem Sitz die runzligen Senatsherrn
Und haltet Rat statt ihrer! Jungfraunreinheit
Verkehre plötzlich sich zu frecher Schande
In Gegenwart der Eltern! Bankrottierer,
Halt fest, gib nichts zurück; heraus das Messer,
Für deines Gläubgers Hals! Stehlt, ihr Leibeignen!
Langfinger sind auch eure Herrn und rauben
Ja kraft Gesetzes. Magd, ins Bett des Herrn!
Die Frau ist im Bordell. Sohn, sechzehn alt,
Die Krücke reiß dem lahmen Vater weg
Und schlag ihm aus das Hirn! Furcht, Frömmigkeit,
Scheu vor den Göttern, Friede, Recht und Wahrheit,
Zucht, Häuslichkeit, Nachtruh und Nachbartreue,
Belehrung, Sitte, Handwerk und Gewerbe,
Achtung und Brauch, Gesetz und Recht der Stände,
Stürzt euch vernichtend in eur Gegenteil,
Bis nur Vernichtung lebt! - Pest, Menschenwürger,
Häuf deine mächtgen, gifterfüllten Fieber
All auf Athen; zum Fall ists reif! Du Hüftweh,
Die Senatoren krümm, daß ihre Glieder
Lahm gleich den Sitten werden! Lust und Frechheit,
Schleich in das Mark und das Gemüt der Jugend,
Daß sie, dem Tugendstrom entgegenschwimmend,
In Wüstheit sich ertränkt! Mit Schwür und Beulen
Sei ganz Athen besät, und ewger Aussatz
Die Ernte; Atem stecke Atem an,
Daß ihre Näh gleich ihrer Freundschaft sei:
Gift durch und durch! Nichts nehm ich von dir mit
Als Nacktheit, du, des Absehens würdige Stadt!
Nimm auch noch das, mit hundertfachen Flüchen.
Timon geht nun zum Wald; das wildste Tier
Zeigt Lieb ihm mehr, als je die Menschen hier.
Auf ganz Athen - hört, Götter insgesamt! -
Auf Stadt und Land zugleich die Blitze flammt!
Gewährt, daß ich stets steigre mich im Hasse
Auf Hoch und G'ring, die ganze Menschenrasse!

Amen! - Shakespeare, Timon von Athen

Umkehrung (4)  Unter der Oberfläche des südlichen Polarkontinents haben die Schwarzmagier sich ein unerhörtes Reich erbaut - - - Einige Millionen der am tiefsten gesunkenen Menschenseelen bewohnen dieses Reich und leiden eine ganz unerträgliche Unterdrückung durch die Großfürsten der Schwarzmagie, die dort herrschen. Da ist eine Regierung, die Ordnung und Sitte mit größerem Nachdruck als in irgend einem andern Reich aufrecht erhält. Aber die Verbrecher, die in diesem Reich das Böse verkörpern, entkommen damit nicht dem Gesetz des Guten. Zwei Wege stehen ihnen dort offen: der Weg des Guten und der des Bösen. Könnten sie nur die Liebe zu einem Wesen begreifen, wären sie gerettet. Denn die Vorsehung hat es so weise angeordnet, daß in diesem Wohnsitz der Strafe die Liebe, wenn möglich, lockender wird als auf der Erde, gerade weil es ihr dort viel schwerer ist, zum Ausdruck zu kommen. Es ist nämlich ein Gesetz für die Schwarzmagier, sowohl hohe wie niedrige, daß sie ganz wesentlich ihr Schicksal (Karma) aufschieben können, wenn sie sich nur hüten, dem, den sie lieben, einen einzigen selbstlosen Liebesdienst zu leisten. Tun sie das, werden sie augenblicklich ein Raub der andern Schwarzmagier. Solch ein zufälliger Augenblick der Willensschwäche im Dienst des Guten liefert sie ihrem strafenden Karma aus, und sie sind darum sichtbar ängstlich, in dieser Hinsicht nachzugeben. Trotz aller drohenden Folgen geben sie schließlich nach, und sie werden dann unmittelbar von der Hand des Karmas getroffen, für alles Böse, das sie verübt haben, aber sind sofort vom geistigen Tod gerettet. Wenn ein Bewohner dieses Reiches des Bösen eine gute Handlung ausführt, verliert er im selben Augenblick allen Schutz und Halt. Wenn solch ein bekehrter Schwarzmagier Mensch wird, tritt er sehr oft wie ein hochintelligenter guter Mensch auf, dessen Güte von einer besonders lebhaft tätigen Natur ist. Er hat ja so viele Träume von dieser Art vorrätig, denen er bisher keinen Ausdruck zu geben gewagt hatte. Viele Heilige des Mittelalters waren gerade solche jüngst bekehrte Schwarzmagier aus der Folterwelt der Tiefe, und das erklärt ihren festen Glauben an eine Hölle und ihre große Fähigkeit, deren Schrecken zu schildern. Sie haben sie in frischer Erinnerung. - Georg Ljungström, nach (blau)

Umkehrung (5) Avicenna erzählt, zu seiner Zeit habe ein Mann gelebt, vor dem alle giftigen Tiere flohen, während sogar diejenigen davon starben, welche ihn etwa zufällig gebissen hatten, indes es ihm selbst nicht schadete. - Albertus Magnus berichtet, er habe zu Köln ein Mädchen gesehen, welches auf die Spinnen förmlich Jagd machte und sich dieselben recht behaglich schmecken ließ. - (nett)

Umkehrung (6)

›Der tobende Ochs schindet den lebendigen Menschen‹,
Le Monde Renversé, Montbéliard, um 1820

- Nach: Hugo Loetscher, Der predigende Hahn. Das literarisch-moralische Nutztier. Zürich 1992

Umkehrung (7)

Umkehrung (8) Eine Welt, wo die Menschen als Greise geboren werden, und immer frischer werden, endlich Kinder, die immer an Ketschigkeit zunehmen, bis man sie endlich in eine Bouteille sperrt, wo sie nach 9 Monaten alles Leben verlieren, nachdem sie so klein geworden sind, daß man 10 Alexander auf einem Butterbrod verschlingen könnte. Die Mädchen von 50 bis 60 Jahren finden ein besonderes Vergnügen daran, die klein gewordene Alte auf Bouteillen zu ziehn. - (licht)

Umkehrung (9) Der Abrichter befahl; Frosch, verschling' die Fliege! Affe, verschling' den Frosch! Löwe, verschling' den Affen! — Das heißt, er gab seinen Befehl kürzer, indem er mit seiner Peitsche einen knallenden Riß in die Luft hieb und einfach schrie: „Luflipilulöpi!" — nein, er drückte sich noch prägnanter aus, er knallte das Wort: „Flilupilö! — und der Frosch verschlang die Fliege. Freilich, allzu stürmisch war die Prozedur nicht, denn die Tiere mußten sich vorsehen, einander nicht zu schaden. Der Frosch sperrte also seinen Schlund mit dem wogenden Kehlsack weit wie ein Burgtor auf, streckte die Zugbrücke der Zunge vor, und die Fliege marschierte gemächlich hinüber und hinein in die Festung. Dann schluckte der Frosch vorsichtig und half der Fliege so in seinen Magen. — Kam der Affe an die Reihe. Er nahm dea Frosch kameradschaftlich behutsam zwischen die Pfoten, beroch ihn mit einem scheuen Blick gegen den Bändiger, zupfte an ihm, als habe auch er Ungeziefer, entschuldigte sich mit einer schnellen Schlenkerbewegung wegen all dieser Versäumnisse und stopfte den Frosch in die Backentasche. Er beließ ihn dort, er machte sich nicht die Mühe des Verschluckens und bewies schon damit eine Überlegenheit, die sich in der Folge deutlicher zeigen sollte. — Der Löwe seinerseits war der eifrigste und der dümmste von allen. Er stieß ein schauspielerisch schlechtes Gebrüll aus, markierte den Raubtiersprung in läppischer Großartigkeit und verschlang regelrecht das Pinselohräffchen, dem nur seine Gewandtheit zwischen den Fangzähnen hindurchhalf, ohne daß es Schaden nahm.

Der Dompteur verneigte sich dankend vor dem Beifall des erlesenen Publikums, das in einem vornehmen Salon versammelt war, aus dem man nur den Kronleuchter entfernt hatte, um dem Löwen die nötige Bewegungsfreiheit zu sichern.

Geschmeichelt hielt der Abrichter eine kleine Rede. „Meine Herrschaften," führte er aus, „wie Sie gesehen haben, brauchte ich nur das Wort „Flilupilö" hinauszuschmeißen — und die Sache wickelte sich glatt ab. Fliege, Lurch, Pinselöhrchen, Löwe waren die Glieder einer Kette —, sind wie Schachteln, die nun — immer die kleinere in der größeren — ineinander verpackt vor Ihnen dasitzen."

Wirklich saß der dumme Löwe vor den Anwesenden manierlich da, wobei es sein Raubtierleib dem hündischsten Pudel gleich zu tun strebte, — die gelbe Mähne gesteift vom Abglanz des Ruhmes, der seinem Peiniger zugefallen war.

Der sagte: „Damen und Herren, ich brauche nur die Silben des Wortes „Flilupilö" in umgekehrt er Reihenfolge zurufen — und alles wird sein, wie es vordem war."

Er klatschte mit der Peitsche, daß die Seidenvorhänge des Salons knatternd zerrissen, und schrie: „Löpilufli!"

Da begann der dumme Löwe gehorsam und dezent zu würgen. Er sperrte das Maul weit auf, er bog das mächtige Haupt qualvoll hintenüber, wie es die Schwertschlucker tun, um Schlund und Kehle und Magen in eine Senkrechte zubringen, — er enthauchte qualmigen Raubtieratem, und dieser rauchigen Rohre entstieg das Äffchen. Es beeilte sich nicht. Zwischen den Zähnen stieg es hindurch wie durch einen Lattenzaun. Ein Spiel seiner anmutigen Bosheit war es, beim Verlassen des Löwen diesem kitzlich in ein Nasenloch zu treten — um im nächsten Augenblick mit federndem Schwung weit fort zu sein. Das große Katzentier mußte gräßlich niesen und seine Mähne mit niederkollernden Tränen bekleckern, worüber es sich albern schämte, — indes das Pinselöhrchen seinem Herrn zuvorkam und selber sein vom Löweninnern feuchtes Fellchen in ein rotes Bademäntelchen hüllte. Dann erst nahm es den Frosch aus der Backentasche. Der Frosch mimte brav und bieder wieder Burgtor und Zugbrücke, und die Fliege spazierte heraus und auf ein Türmchen, geschnitzt aus Schweizerkäse, das ihr als Standort angewiesen war. - Alexander Moritz Frey, Dressur. In: A. M. F., Der unheimliche Abend. München 1923


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