- Apollonia Saintclair
Uhrensammlung (2) Lord Kristallglas in seiner Küche voll Zeit hockt sich allein zu einer Hundeschüssel, auf der „Pluto" steht, mit gepfefferten Fischresten, und lauscht den Stimmen seiner Sechsundsechzig Uhren — eine für jedes Jahr seines überdrehten Alters — und sieht voller Liebe ihre schwarz-weißen Mondgesichter mit lauten Lippen, die die Welt von hinnen nach dannen ticken: langsame Uhren, zu schnelle Uhren, pendelschwingende Herzschlagwerke, Porzellanuhren, Weckuhren, Großvateruhren und Kuckucksuhren; Uhren in Gestalt von Noahs summender Arche, Uhren, die rasseln in Marmor schiffen, Uhren im Schoß von Frauen aus Glas, stundenglasklingende Glockenuhren, Käuzchenuhren, Spieluhren, Vesuvuhren mit Lava und schwarzen Glocken, Niagarauhren mit Ticktackkatarakten, alte-Zeit-beklagende Uhren mit elfenbeinbärtigem Chronos, Uhren ohne Zeiger, die früh und spät die Zeit nur austrommeln und nie wissen, wie spät es ist.
Seine sechsundsechzig Sänger sind alle verschieden gestellt. Lord Kristallglas
lebt in einem belagerten Haus und wohnt in einem belagerten Leben. Jede Minute
oder jeden dunklen Tag kann nun der unbekannte Feind den Hügel herab sengen
und rauben, aber ihn werden sie nicht im Schlaf überraschen. - Dylan Thomas, Unter dem Milchwald.
Ein Spiel für Stimmen. Nachdichtung von Erich Fried. Heidelberg 1954
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