FO Plötzlich entdeckte ich mitten am blauen Elfuhrmorgenshimmel den Mond; ich betrachtete gerade voller Zuneigung seine zaghafte Neumondsichel, die mich immer anrührt, wenn ich sie am hellichten Tag sehe, weil der Mond dann kleiner und äußerst wehrlos aussieht, als ich rechts davon deutlich eine durchscheinende, fast reglose Kugel im Raum erkennen konnte. Carol reagierte wie der Blitz auf meinen Aufschrei und bestätigte meine Vision; ich holte eilends das Fernglas (man beachte die Vorteile einer so wissenschaftlichen Expedition wie der unseren), und damit konnten wir bestens die Kugel sehen, die aus Glas zu sein schien, keine Ballongondel hatte und keinen anderen Eindruck machte, als den, eben eine durchsichtige Kugel zu sein, was ja schon etwas war.
Da wir viel über fliegende Untertassen, Ufos und andere Nessies
des Weltraums gelesen haben, stürzte ich zu einer arglosen Schweizer Familie,
die an einem der Tische zu Mittag aß, und ersetzte den eindrucksvollen Gruyèresandwich,
den das verdutzte Gruppenoberhaupt gerade verspeiste, unvermittelt durch das
Fernglas. Statt mich zu schlagen, war er so freundlich, nach oben zu schauen,
und gab dann das Fernglas an seine Frau und die Kinder weiter. Alle sagten dasselbe:
»Sie haben recht, es ist eine durchsichtige Kugel.« Ich gestehe, daß ich einen
etwas ausführlicheren Kommentar erwartet hatte, aber immerhin hatte ich jetzt
die notwendigen Zeugen für den Fall, daß die Erscheinung andere Formen annehmen
oder zur Landung ansetzen sollte. Doch es kam nicht dazu; die Kugel glitt in
der Ferne sanft dahin, und eine Wolke verbarg sie für immer. Ein Wetterballon?
Vielleicht, aber ich habe schon mehrere davon gesehen, und das waren keine perfekten
Glaskugeln. Glas? Ja, Glas, Carol und ich haben die Lichtreflexe gesehen, die
kein Kunststoff, und hätten ihn die Jungs vom Observatorium noch so gewienert,
hervorbringen könnte. So wie Nessie in ihrem See ist diese Kugel an irgendeinem
Punkt des Himmels; es genügte, daß wir seit dem Vorabend zu einem no man's
land der Wirklichkeit gehörten, um solche Dinge mit derselben Natürlichkeit
zu erleben wie jeden anderen Augenblick unserer Reise. Letzten Endes hatte die
Schweizer Familie ganz recht, als sie sich nicht aufschrecken ließ. -
Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am
Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)
UFO
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