Vebergangslösung  Tije, die Junge, sagte zu Kudurra, der Älteren: «Unsere Königin Truvanare hat sagen lassen, alle Frauen, nur die alten nicht, sollen Pfeile schnitzen. Und wir sollen viele Boote machen.» «Es sind schon viele Boote da.» «Es ist gesagt.» «Wir fuhren ein trauriges Leben, Tije. Hast du gehört, wie die Frauen in den Dörfern der Männer wohnen?» «Bei mir ist noch kein Mann gewesen. Sie bringen mich erst in die Hütte.» «Eine Frau hat ihren Mann, und sie wohnen in ihrer Hütte das ganze Jahr. Und wenn die Frau Liebe will, kommt er zu ihr. Und wenn der Mann Liebe will, sind sie zusammen. In der Trockenzeit und in der Regenzeit sind sie zusammen.»

Das sagte Kudurra, die Ältere, zu Tije, der Jungen. Sie hatte schon zwei Kinder. Tije zog den Pflug, Kudurra drückte ihn herunter. Tije fragte: «Wenn man Kinder hat, braucht man noch Liebe? Die Königin sagt: <Wir Frauen sind die Menschen. Wenn unsere Priesterinnen den Mond anrufen, sammeln sich unsere Ahnen. Dann müssen wir in den Krieg und Männer holen, damit die Ahnen wachsen können.»» Kudurra antwortete: «Ich habe schon drei Männer getötet. Ich möchte keinen mehr töten. Ich möchte sie in der Hütte halten und wie meine Papageien futtern.» Tije lachte und klatschte in die Hände. «Viele denken so, Tije. Unsere Königin und unsere Priesterinnen sind hart. Es sind viele Frauen hinter den Sümpfen zu den ändern Frauen gelaufen. Die töten keine Männer. Sie ziehen in den Wald, wenn die Priesterinnen den Mond angerufen haben, und trinken Kaschiri. Sie sind freundlich mit den Männern, die Männer sind freundlich mit ihnen. Es folgen manche Frauen den Männern in die Dörfer, manche Männer gehen zu den Frauen,»

Truvanare war die mächtigste Königin zwischen dem großen Manacapurusee und dem Urubufluß. Sie zog selber in den Krieg, als die Boote fertig waren.

Sie sprach vor dem Abzug zu den Führerinnen: «Schützt euch, bemalt euch deutlich. Die Männer stammen von Aasgeiern. Wir waren vor vielen Jahren in ihrer- Gewalt. Sie hatten sich verkleidet und uns getäuscht. Jetzt hausen sie draußen und stehlen Frauen, weil sie sich nicht fortpflanzen können. Sie sollen aussterben. Unser großer Geist wird uns dann Zeichen geben, welche Früchte wir zu essen haben, damit wir unsere Kinder zur Welt bringen. Fallt über ihre Dörfer, brennt ihre Häuser ab, tötet, soviel ihr könnt. Holt Junge, die wir später töten.»

Truvanare schickte vom Halteplatz ihrer Boote eine Gesandtschaft an die Männer ab: «Schließt Frieden mit uns, und gebt zum Zeichen der Unterwerfung eure jungen Männer. Sie werden am Leben bleiben. Schickt ihr eure jungen Männer nicht, so vernichten wir euch.»

Der fremde Häuptling schickte einen Topf mit roter Farbe, das Zeichen des Bluts. Die Frauen umzingelten das erste Dorf und stießen das Kriegsgeschrei aus. Sie erbeuteten wenige Gefangene. Sie zogen weiter. Als sie genug hatten, aßen und tranken sie im Wald. Mit den Männern durfte keiner sprechen. Als sie am Fluß in ihren Häusern waren, bauten sie auf den Feldern die Hütten. Truvanare, die Königin, und die Zauberpriesterinnen besahen die Gefangenen von vorne und hinten und verteilten sie. Die jungen Frauen mußten in den großen Häusern bei den Priesterinnen wohnen, man gab ihnen während des Monats keine Arbeit. Sie bekamen kleine Fische und Manioca zu essen, sonst nichts. Die Männer aber bekamen Pirurucufische, Honig, Andirobanüsse und Affenfleisch. Abends, wenn die Sonne am Untergang war, führten die Zauberpriesterinnen die jungen Frauen auf die Felder, sie tanzten und klapperten. Erst wenn die Sonne verschwunden war, traten die jungen Frauen in die Hütten.   - Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)

 

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