Ueberdosis    Unsicheren Schrittes, schwer auf Dienerschultern gestützt, ließ sich Hsi Men zum Pavillon von Goldlotos bringen. Sie hatte auf ihn gewartet und war noch auf. Sie half ihm ans den Kleidern und aufs Lager. So sehr war er von seinem Rausch und von Müdigkeit mitgenommen, daß er nicht einmal imstande war, sich allein zuzudecken. Er fiel augenblicklich in Schlaf, und bald erfüllten seine Schnarchtöne wie fernes Donnerrasseln den Raum. Goldlotos hatte sich neben ihn gebettet. Anstatt ihm nun seine Ruhe zu gönnen, begann sie, von unersättlicher Lüsternheit getrieben, ihre Finger an seiner Lendenmitte auf und ab gleiten zu lassen. Sein Ding fühlte sich weich und schlapp an wie Watte. Soviel sie an ihm hcrumspieltc, es wollte nicht fest werden. Gar zu gern hätte sie gewußt, mit welcher Frau er heute schon das Lager geteilt hatte.

Jetzt beugte sie sich in knieender Stellung über ihn und versuchte es mit dem Flötenspiel. Aber es zeitigte gleichfalls keine Wirkung. Da verlor sie die Geduld. Sie rüttelte so lange an ihm, bis er erwachte.

»Wo hast du die Pillen von Pater Fan aufbewahrt?« fragte sie. »Laß mich doch schlafen! Ich bin müde und mag heute nicht«, brummte er verdrießlich. »Aber wenn du es durchaus wissen willst, die Pillen stecken in meiner Ärmeltasche; in der goldenen Dose mit dem durchbrochenen Deckel.«

Flugs erhob sie sich und durchsuchte seine Ärmeitaschen. Richtig, da war die goldene Dose mit dem in der Mitte herzförmig durchbrochenen Deckel. Sie öffnete. Es waren genau noch vier Pillen drin. Sie nahm eine heraus und schluckte sie mit einem Becher angewärmten Weins selber hinunter. Dann füllte sie einen zweiten Becher für ihn voll, und da sie sich einbildete, daß in Anbetracht seines abgekämpften Zustandes eine einzelne Pille vielleicht nicht ausreichend wirken würde, tat sie gleich alle noch übrigen drei Pillen in den Becher.

Nun führte sie den Becher an seinen Mund, und schläfrig und trunken, wie er war, goß er achtlos mit geschlossenen Augen den Inhalt hinunter. Es währte kaum die Zeitspanne, die man zum Ausschlürfen einer Schale heißen Tees braucht, da machte sich die Wirkung der dreifach genossenen Dosis zu ihrer Genugtuung mit dreifach gesteigerter Kraft geltend. Zum Überfluß bestrich sie ihm auch noch das Pferdeauge ergiebig mit der Wundersalbe. Dann kletterte sie auf ihn und lenkte mit sicherer Hand seinen Luststengcl in die rechte Bahn. Nie zuvor fühlte sie sich so innig und zutiefst mit ihm verschmolzen wie diesmal, unaussprechlich waren die Wonnen, die sie heute erschauern ließen. Zweimal war bei ihr bereits die Wolke geborsten. Da stellte sich auch bei ihm der erlösende Regen ein. Aber diesmal war es ein Platzregen, und er wollte gar kein Ende nehmen. Und während es anfangs wie Quecksilber aus enger Röhre quoll, gewahrte sie später mit Entsetzen eine trübe blutige Verfärbung. Auch wunderte sie sich, daß er so regungslos dalag und nicht atmete. Eine Ohnmacht hatte ihn befallen. Fünf Taschentücher hatte sie bereits verbraucht, da stockte endlich der grausige Regen, und er kam wieder zu sich. »Ko ko, wie fühlst du dich ?« fragte sie ängstlich. - Kin Ping Meh oder Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen. Frankfurt am Main 1970 (zuerst ca. 1610, Wang Schi Tschong zugeschr.)

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