uring, Alan Fest steht, daß er nie eine Zeitung gelesen hat; daß er sich seine Handschuhe selber strickte; daß er fortwährend Koffer, Bücher, Mäntel verlor; und daß er, sofern er bei Tisch sein hartnäckiges Schweigen brach, in ein schrilles Gestotter verfiel oder krähend lachte. Seine Augen waren von einem strahlenden, anorganischen Blau, wie aus gemaltem Glas.
Also gut. Denken wir uns nun einen universellen Automaten A, der in der Lage ist, jeden beliebigen andern Automaten An zu simulieren. A ist ein schwarzer Kasten, der mit einem endlosen Papierstreifen gespeist wird; dieses Band ist die Außenwelt der Maschine. Es ist in Felder aufgeteilt, deren jedes einzelne entweder leer oder mit einem Zeichen markiert ist. Wir denken uns nun, daß A geduldig ein Feld nach dem andern abliest, den Streifen um jeweils ein Feld vor oder rückwärts bewegt und/oder ein Zeichen löscht und/oder setzt; und wir nennen dieses Gerät, nach seinem Erfinder, eine Turing-Maschine.
Wir wissen ferner, daß er sich sorgfältig isoliert hat; daß er Zerlumptes
trug, im Zwischendeck reiste, in Absteigen schlief. Offenbar war er darauf bedacht,
sich zu löschen. Eines Nachts hat er sich in seinem Landhaus, einer Bruchbude,
wie in einem Roman von Agatha C., aus Versehen vielleicht, mit Zyankali vergiftet.
Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist reiner Zufall. -
Hans Magnus Enzenberger, Die Elixiere der Wissenschaft. Frankfurt am Main 2002
Turing,
Alan (2) Alan Mathison Turing wurde 1912
in London geboren. Er war ein Kind voller Neugierde und Humor und mathematisch
hochbegabt. Er ging nach Cambridge, wo seine Interessen für Maschinen und für
mathematische Logik sich gegenseitig befruchteten und schließlich zu seinem
berühmten Aufsatz über „berechenbare Zahlen" führten. Mit dieser Arbeit
erfand er die Theorie der Turing-Maschinen und bewies die Unlösbarkeit des Halle-Problems.
Erst 1937 wurde sie veröffentlicht. In den vierziger Jahren wandte sich sein
Interesse von der Theorie der Rechenmaschinen ab zur praktischen Konstruktion
von wirklichen Computern, Turing spielte in der Entwicklung von Computern in
England eine bedeutende Rolle und war ein tapferer Verteidiger der AI,
als sie zunächst erst einmal angegriffen wurde. Einer seiner engsten Freunde
war David Champernowne (der später an musikalischer Komposition mit Hilfe von
Computern arbeitete). Champernowne und Turing waren beide begeisterte Schachspieler
und erfanden das „Rund-ums-Haus-Schach": wer gezogen hat, rennt einmal
ums Haus; wenn er zurückkommt bevor der Gegner gezogen hat, darf er einen weiteren
Zug ausführen. Mit ein bißchen mehr Ernst bei der Sache erfanden sie das erste
Schachprogramm und nannten es „Turochamp". Turing starb jung - im Alter
von 41 Jahren - anscheinend durch einen Chemikalien-Unfall. Es wird behauptet,
daß es sich um Selbstmord gehandelt habe. Seine Mutter, Sara Turing, schrieb
seine Biographie. Nach dem, was die von ihr zitierten Bekannten Turings sagen,
bekommt man den Eindruck, daß Turing höchst unkonventionell und in vielen Dingen
sogar linkisch war, aber auch so aufrichtig und anständig, daß man ihn leicht
verletzen konnte. Er liebte Spiele, Schach, Kinder und Radfahren und war ein
ausgezeichneter Langstreckenläufer. Als Student in Cambridge kaufte er sich
eine gebrauchte Geige und brachte sich das Spielen selbst bei. Obgleich er eigentlich
nicht musikalisch war, hatte er viel Freude daran. Er war etwas exzentrisch
und hatte Energie-Ausbrüche, die in die komischsten Richtungen gingen. Eines
seiner Forschungsgebiete war das Problem der Morphogenese in der Biologie. Seine
Mutter erwähnte, daß Turing „eine besondere Vorliebe für Die nachgelassenen
Aufzeichnungen des Pickwick-Klubs gehegt habe, aber „mit Ausnahme von Shakespeare
bedeutete Dichtung ihm nichts".
- (
hof
)
|
||
|
||