Tür, falsche  Sie sah mit Schrecken einen kleinen Mann eintreten, den auch der Majoratsherr, sobald sie ihn genannt, in einer sehr abgetragenen Maske die Herren begrüßen sah. »Gott, das ist mein armer Bräutigam«, sagte sie, »der will mit seinen, Kunststücken Geld verdienen.« Diese armselige Maske trug einen kleinen Tisch und Stuhl auf dem Rücken, empfahl seine Kunststücke, ließ einen Teller umhergehen, um für sich einzusammeln, und eröffnete den Schauplatz mit sehr geschickten Kartenkünsten; dann brachte er Becher, Ringe, Beutel, Leuchter und ähnliche Schnurrpfeifereien vor, mit denen er das größte Entzücken in der ganzen Gesellschaft erregte. Zuletzt sprang er in einem leichten weißen Anzüge, doch wieder maskiert, wie eine Seele aus dem schmutzigen Maskenmantel heraus, und versicherte, mit seinem Körper seltsame Kunststücke machen zu wollen, legte sich auf den Bauch und drehte sich wie ein angestochener Käfer umher. Aber Esther faßte einen so gräßlichen Widerwillen gegen ihn in dieser Verzerrung, daß sie mit zugehaltenen Augen in Krämpfen auf ihr Bette stürzte. Im Augenblicke waren dem Majoratsherrn alle Gestalten verschwunden; er sah die Geliebte, die Unterdrückte, im schrecklichsten Leiden verlassen; er beschloß, zu ihr zu eilen. Er sprang die Treppe hinunter, aber er fehlte die Tür, und trat in ein Zimmer, das er nie betreten. Und ihm und seiner Laterne entgegen drängten sich ungeheure gefiederte Gestalten, denen rote Nasen, wie Nachtmützen über die Schnäbel hingen. Er flieht zurück und steigt zum Dache empor, indem er sein Zimmer sucht. Er blickt, umher in dem Räume, und still umsitzen ihn heilige Gestalten, fromme Symbole, weiße Tauben; und das Gefühl, wie er zwischen Himmel und Hölle wohne, und die Sehnsucht nach dem himmlischen Frieden, dessen Sinnbilder ihn umgaben, stillte wie Öl die Sturmeswellen, die ihn durchbcbten, und eine Ahnung, daß er ihm nahe, daß es seiner auf Erden nicht mehr bedürfe, drängte seine aufglimmende Tätigkeit für Esther wieder zurück.

Doch diesem höheren Traum stellte sich die Wirklichkeit mit spitzer Nachtmütze, einen bunten Band darum gebunden, eine Brille auf der roten Nase, einen japanischen bunten Schlafrock am Leibe, mit bloßem Schwerte entgegen; natürlich der Vetter, der von dem Geräusche im Hause erwacht, den Majoratsherrn mit den Worten begrüßte: »Sind Sie es, lieber Vetter, oder Ihr Geist!« -»Mein Geist«, antwortete der Majoratsherr verlegen, »denn kaum weiß ich, wie ich hier unter die Engel versetzt bin.«  - Achim von Arnim, Die Majoratsherren

 

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