rugbild   Der schwarze Unterrock bewegte sich langsam, wellte und bog sich und warf schwankende, wogende tiefschwarze Schatten auf die Hinterwand der Küche. Honoré stierte angestrengt hinüber und versuchte, die unbestimmt fließende Gestalt genau zu erfassen, deren Umrisse ihm die Dunkelheit verwischte. Er war verwirrt, als wäre ein fremder Mensch zugegen, als wäre unverhofft, anstelle seiner Frau, eine andere bei ihm. Die Adelaide hatte ihren Reisbesen wieder zur Hand genommen; plötzlich straffte sie beide Arme und fing an, den Fliesenboden zu scheuern, und gleichzeitig flachte sich ihr Hintern ab, rutschte nach vorn, strammte sich aber alsbald wieder dank einer Gegenbewegung, einem weitausladenden, raschen Aufbäumen, in dem er sich voll und rund über ihren Fersen wölbte. Honoré konnte sich immer noch nicht von seinem Erstaunen erholen. Mit vorgerecktem Hals starrte er auf den schwarzen Unterrock hin, der im Takt des Hin- und Herscheuerns bald aus dem Dunkel auftauchte, bald wieder darin verschwamm. Er hörte das brünstige Seufzen des Sommers draußen hinter den Rolläden. Die Wespe summte ihm um die Ohren und sang ihm ein ermunterndes Liedchen. Die kühle Küche, in der das dämmnge Dunkel seine quälenden Geheimnisse wob, kam ihm vor wie ein Wartesaal. Die leisesten Geräusche zwickten ihm ins Fleisch. Es war ihm zumute wie in der Nummer 17 an der Rue des Oiseaux za Saint-Margelon, wohin er sich zwei-, dreimal im Jahr begab, damals, als er noch seinen Pferdehandel betrieb. Ein ganzer Schwarm von starkduftenden Mädchen drängte sich dienstwillig und lustbereit um ihn mit rosigen Brüsten und drallen, festtäglich üppigen Schenkeln. Eine war darunter, eine große, rundum mollige und füllige, und die Husaren hatten einen Heidenspaß, wenn sie ihr auf den Hintern klatschen konnten ... Honoré sah sie deutlich vor sich, ihr Bild hob sich von der hintern Wand der Küche sichtbar ab. Dann machte es einem andern Bild Platz, dem einer Frau aus Claquebue. Honoré trat vom Fenster weg, tappte dorthin, wo das kratzende Scharren des harten Besens zu vernehmen war, in dessen Rhythmus der schwarze Unterrock auf und ab tanzte. Eine befangene Schüchternheit, die sonst nicht in seiner Art lag, machte ihn täppisch und ungeschickt. Zuerst bekam er nur den Stoff zu fassen.

Überrascht wandte ihm die Adelaide ihr mageres, müdes Gesicht zu, und ein Lächeln leuchtete darin auf. Noch weit verdutzter als seine Frau schien er jedoch zu sein, als ob er gar nicht erwartet hätte, dieses vertraute und altbekannte Gesicht vor sich zu sehen. Er brummte ein paar verlegene, unzusammenhängende Worte, auf die ihm die Adelaide zärtlich betreten Antwort gab. Unschlüssig und verwirrt zögerte er noch eine Weile, dann packte er mit beiden Händen zu. Doch schon im Zugreifen spürte er, daß er sich von einem Trugbild hatte narren lassen und über einen holden Wahn in Erregung geraten war, denn unter dem dicken Stoff der gebauschten Röcke bekam er nur zwei mägerliche, dürre, ärmliche Hinterbäcklein in die Hände, zwei klägliche dürftige Dingerchen ohne Format und Saft und Kraft. Da wich er enttäuscht und ernüchtert zum Fenster zurück und seufzte achselzuckend, aber doch nicht leise genug, daß es seine Frau hätte überhören können:

«Man bildet sich doch immer allerlei dummes Zeug ein.»  - Marcel Aymé, Die grüne Stute. Reinbek bei Hamburg 1964 (rororo 402, zuerst 1932)

 

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