rübsal    (Melancholie religieuse)  Traurigkeit, die aus der falschen Idee entspringt, daß die Religion auch die harmlosen Vergnügen verbiete & den Menschen, um sie zu erlösen, nur Fasten, Tränen & innere Zerknirschung gebiete.

Diese Traurigkeit ist zugleich eine Krankheit des Körpers & des Geistes, die von einer Störung der menschlichen Maschine, von trügerischen & abergläubischen Befürchtungen, unbegründeten Gewissensbissen & falschen Ideen herrührt, die man sich von der Religion macht.

Wer von dieser schrecklichen Krankheit befallen ist, betrachtet die Fröhlichkeit als das Los der Verworfenen, harmlose Vergnügungen als Beleidigungen des göttlichen Wesens & die rechtmäßigsten Annehmlichkeiten des Lebens als weltliche Hoffart, die dem ewigen Heil diametral entgegengesetzt ist.

Man sieht dennoch, daß so viele Personen von hervorragendem Verdienst von diesen Irrtümern verblendet sind & daß sie deshalb größtes Mitleid & hilfreiche Fürsorge verdienen, die ihnen die ebenso aufgeklärten wie tugendhaften Menschen angedeihen lassen müssen, um sie von Anschauungen zu heilen, die der Wahrheit, der Vernunft, dem Stand des Menschen, seinem Wesen & dem Glück seines Daseins widersprechen.

Die Gesundheit, die uns so teuer ist, besteht doch in der Ausübung der Tätigkeiten, für die wir geschaffen sind & die wir mit Leichtigkeit, Beständigkeit & Vergnügen auszuüben vermögen; es heißt diese Leichtigkeit, diese Beständigkeit, diese Freude zerstören, wenn man seinen Körper durch einen Lebenswandel schwächt, der ihn untergräbt. Die Tugend soll nicht aufgeboten werden, um die Neigungen auszurotten, sondern um sie zu lenken. Die Kontemplation des höchsten Wesens & die Erfüllung der Pflichten, deren wir fähig sind, führen nicht etwa dazu, die Freude aus unserer Seele zu verbannen, sondern sie sind unerschöpfliche Quellen der Zufriedenheit & Heiterkeit. Kurz gesagt: diejenigen, die sich von der Religion eine andere Idee bilden, gleichen den Kundschaftern, die Moses aussandte, um das Gelobte Land zu entdecken, & die durch ihre falschen Berichte dem Volk den Mut nahmen, es zu betreten. Diejenigen, die uns zeigen, welche Freude & welche Ruhe aus der Tugend entspringen, gleichen dagegen den Kundschaftern, die köstliche Früchte mitbrachten, um das Volk zu bewegen, in jenem zauberhaften Land zu leben, das sie hervorgebracht hatte. - (enc)

 

Traurigkeit

 

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