rinkschädel (falscher)  Im Jahr 1865 stieß ein Paläoarchäologe in Südfrankreich auf einen ungewöhnlichen Schädel. Ein großes Stück war aus der Schädeldecke herausgesägt, und eine Stelle am Rand der Öffnung glänzte, als hätte man sie poliert. Der Archäologe kam zu dem Schluß, »daß die Öffnung für eine Berührung mit den Lippen poliert worden war«. Er glaubte also, daß der Schädel ein makabres Trinkgefäß gewesen sei. Seine Schlußfolgerung paßte gut in seine Zeit. Damals hielten die Wissenschaftler unsere prähistorischen Vorfahren für barbarische Wilde, die sich durchaus daran erfreut haben könnten, ein berauschendes Getränk aus den Schädeln ihrer besiegten Feinde zu schlürfen.

Was es wirklich mit dem Schädel auf sich hatte, kam erst Jahre später ans Licht, als er in Paris von Paul Broca untersucht wurde. Broca war ein hervorragender Anatom und Anthropologe. Zu seinen größten Leistungen gehört die Identifizierung des Sprachzentrums in der linken Gehirnhälfte. Bei der Untersuchung des rätselhaften Trinkschädels machte er die Entdeckung, daß die vermeintliche Politur nichts anderes war als das Ergebnis einer »nachoperativen Regenerierung des Knochengewebes «. An frischen Schnittflächen von Knochen finden sich kleine Poren, die mit dem bloßen Auge erkennbar sind. Sobald der Knochen zu heilen beginnt, verstopfen sich die Poren mit Gewebe, und die Schnittfläche glättet sich.

Broca kam zu dem Schluß, daß der Mann, dem der Trinkschädel gehört hatte, eine Schädeloperation überlebt haben mußte, und daß man demnach bereits in der späten Steinzeit operative Eingriffe am Schädel vorgenommen hatte. Gehirnoperationen waren zu Brocas Zeiten noch eher Gegenstand theoretischer Überlegungen. Die wenigen Versuche, in den Schädel einzudringen, hatten fast immer einen tödlichen Ausgang genommen. Jetzt aber hielt Broca einen Schädel in den Händen, der alle Zeichen einer erfolgreichen Operation erkennen ließ und dabei mehr als 4000 Jahre alt war. - (erf)

Trinkschädel (deutscher)  Der alte Deutsche trank sich aus dem feindlichen Schädel den seinigen voll. - (idg)

Trinkschädel (chinesischer)  Yü Jang, der Enkel des Bi-yang aus Djin, diente anfänglich in den Familien Fan und Dschung-hang, doch war er unzufrieden mit seinem Dienst und begab sich deshalb zu dem Baron von Dschï, der ihm reichliche Gunst erwies. Als die drei Staaten von Djin das Land des Barons von Dschï unter sich aufteilten, da war es der Freiherr Hsiang von Dschau, der am heftigsten gegen den Baron von Dschï ergrimmte. Er nahm seinen Schädel, überzog ihn mit Lack und machte ein Trinkgefäß daraus. Yü Jang floh in die Berge. - Aus: Die Goldene Truhe. Chinesische Novellen aus zwei Jahrtausenden. München 1961 

Trinkschädel (heiliger)  Diokletian fragte: »Bist du nicht Sebastian, den wir jüngst hinrichten ließen?« »Der bin ich«, antwortete dieser, »Christus machte mich wieder leben, damit ich dir das Unrecht vorhalte, seine Diener zu verfolgen.«

Die freimütige Sprache reizte den Kaiser aufs äußerste, und er ließ Sebastian in der Arena so lange mit Geißeln, Ruten, Bleikolben und Knüppeln schlagen, bis er den Geist aufgab. Die Christen bestatteten den Leichnam zu Füßen des Grabes der Apostel Petrus und Paulus. Der Name des Märtyrers wurde besonders zu Pestzeiten angerufen. Mit außerordentlichem Erfolg in Rom 680, in Mailand 1575 und in Lissabon 1599. Im oberbayerischen Ebersberg wurde früher während der Wallfahrten die Hirnschale des Heiligen als Weinbecher verwendet.  - Albert Christian Sellner, Immerwährender Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993

Trinkschädel (aztekischer)  Seine Brüder  kehrten zurück. Der Vater fragte sie nach dem Verbleib Quetzalcouatls, und sie gaben ihm zur Antwort, daß er bald kommen werde. Da warf er ihnen ihre schlechten Absichten vor; hierüber ergrimmten sie so, daß sie auch ihren Vater zu töten beschlossen. Dies führten sie aus, indem sie ihn in ein Gebirge lockten. Danach kamen sie, Quetzalcouatl zu holen, machten ihm weis, sein Vater habe sich in einen Felsen verwandelt, und überredeten ihn allesamt, diesem Felsen irgendein Opfer darzubringen, etwa Jaguare, Adler, Hirsche oder Schmetterlinge; sie gedachten so eine Gelegenheit zu finden, ihn zu töten, denn er würde jene Tiere ja nicht erlangen können. Quetzalcouatl ging darauf nicht ein; da wollten sie ihn töten, er aber entrann ihren Händen, entkam auf einen Baum oder, was wahrscheinlicher ist, auf eben jenen Felsen und tötete sie alle mit seinen Pfeilen. Als dies geschehen, holten seine Anhänger, die ihn sehr liebten, ihn in ehrenvoller Weise ein, nahmen die Köpfe seiner Brüder und machten daraus, nachdem sie das Gehirn entfernt, Trinkschalen, aus denen sie sich sogleich einen Rausch antranken.  - (azt)
 
Trinken Schädel
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